Richtigstellung in Sachen Gaustadt

(Leserbrief im FT vom 04.03.2006)

Redakteurin Gertrud Glössner-Möschk meint in der Heimatbeilage „Stadt & Land“ vom 8. Februar, dass viele Bamberger und auch die Lokalredaktion des FT den heutigen Bamberger Stadtteil Gaustadt nicht kennen würden und dieser deshalb vorgestellt werden müsse. Die gewählte Art und Weise finde ich ein wenig verwunderlich.

Lassen wir zuerst Oberbürgermeister Lauer zu Wort kommen. Der schreibt, dass Gaustadt 1136 erstmals urkundlich erwähnt wurde, sich aus einem klösterlichen Landgut zur später landwirtschaftlich geprägten Ortschaft entwickelte und 1858 durch die Gründung der Mech. Baumwoll-Spinnerei und Weberei wachgerüttelt worden sei. Diese Gründung, man höre und staune, sei durch das starke Gelände-Gefälle zwischen Bamberg und Gaustadt begünstigt worden.

Der OB irrt in mehrfacher Hinsicht, er scheint alten, längst überholten Ansichten aufgesessen zu sein. Lyzealprofessor Dr. Adam Martinet hat 1845 in seiner Abhandlung über Gaustadt den Grundstock für die Fama gelegt, indem er auf die undatierte Schenkungsurkunde einfach die mit einem Fragezeichen versehene Jahreszahl 1136 schrieb. Bibliothekar J. H. Jäck übernahm die Zahl und garnierte sie mit dem Zusatz „7. November“. Beide beziehen sich auf die Urkundenabschrift in Joh. Friedrich Schannats „Vindemiae literariae“ (Gelehrte Weinlesen) aus dem Jahre 1723, in der es heißt, dass ein Erchanbrecht seinen Gaustadter Besitz dem Kloster Michelsberg gestiftet hat. Sie machen aus dem Stifter Erchanbrecht, „canonicus et presbiter de novo Monasterio“, einen Kanoniker am Neumünster in Würzburg. Sie übersehen völlig, was im „Nekrologium“ (Totenverzeichnis) des Klosters Michelsberg nachzulesen ist: Dass der Stifter des in Rede stehenden Anwesens (heute: Hauptstraße 32a) ein Priester des neuen Klosters von St. Jakob Bamberg war, der seinen Gaustadter Besitz dem Kloster Michelsberg schenkte. Da dieses Kloster 1071 unter Bischof Hermann gegründet und bereits 1072 vorübergehend mit dem Kloster Michelsberg vereinigt wurde, kann die Schenkung und die erste Erwähnung Gaustadts nur 1071/72 erfolgt sein.

Lauers Ausführungen wegen der Spinnerei können so nicht stehen bleiben. Die Spinnerei wurde nicht in Gaustadt wegen der besseren topografischen Verhältnisse gegründet, sondern deshalb (etwas vereinfacht), weil die industrie- und arbeiterfeindliche Stadt Bamberg die Gründung in der Gegend der heutigen Kaliko u. a. mit der Begründung ablehnte, dass die linke Arbeiterschaft das soziologische Gefüge der Stadt durcheinander bringen könnte.

Dass er die Brauerei Wörner über den Schellenkönig lobt, zeugt nicht gerade von großer Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse. Sonst müsste er wissen, dass sich die Gaustadter Gemarkung vom Michelsberger Wald bis zur Regnitz erstreckte, die ja früher weiter nördlich floss, dass etwa die Hälfte des heutigen Hafengebiets ursprünglich Gaustadter Hoheitsgebiet war und dass die Fa. Rudolf Zimmermann GmbH (RZB) auf Gaustadter Gebiet angesiedelt ist und [mit ihren rd. 400 Beschäftigten] nunmehr zu den leistungsfähigsten Steuerzahlern der Stadt Bamberg gehört.

Andreas Stenglein
Weiße Marterstraße 13
96049 Bamberg-Gaustadt