Schwieriges Gedenken an Stauffenberg

Die Willy-Aron-Gesellschaft sucht nach einem Standort für ein Mahnmal, das an den Bamberger Widerstand gegen den Nationalsozialismus erinnert. Die Universität zeigte sich zunächst offen – erteilte nun aber eine Absage.

Bamberg — Damit hat die Willy-Aron-Gesellschaft nicht gerechnet: Nach zunächst positiven Signalen von Universitäts-Präsident Godehard Ruppert kam jetzt das Nein. Auf dem von der Universität genutzten Gelände der Lyzeumsstiftung in der Straße An der Universität 5 wird es kein Mahnmal zum „Gedenken an den Bamberger Widerstandim Nationalsozialismus“ geben.

„Herbe Enttäuschung“ Für den Vorsitzenden der Willy-Aron-Gesellschaft, Nikolai Czugunow- Schmitt, ist diese Ablehnung eine „herbe Enttäuschung“: „Mit der Errichtung des Denkmals sollte die Rolle des Bamberger Widerstands endgültig sichtbar gemacht werden“, erklärt Czugunow-Schmitt. Er sei „zutiefst betroffen über diesen Umgang mit einem Denkmal, das für die Bamberger Erinnerungskultur so wichtig gewesen wäre“.

Die Gesellschaft sucht nun wieder nach einem Platz für drei Büsten, die an den jüdischen Sozialisten Willy Aron, den Katholiken Hans Wölfel und den Nationalkonservativen Claus Schenk Graf von Stauffenberg erinnern sollen. Die Entwicklung ist durchaus überraschend: Schließlich hatte es schon eine Probeaufstellung der Entwürfe des Bildhauers Albert Ultsch auf dem Universitätsgelände gegeben. Das endgültige Plazet schien nur eine Formsache.

Doch nun erteilte Ruppert der Willy-Aron-Gesellschaft eine Absage. In einem Brief an Czugunow- Schmitt weist er auf „erhebliche Bedenken“ hin, dass eine Nutzung des Platzes als Foyer bei Universitätsfeiern erschwert würde – stattdessen sei an einer solchen Stelle ein würdevolles Gedenken notwendig. „Den Universitätsangehörigen ist ein Verzicht auf ein derartiges Forum nicht vermittelbar“, meint Ruppert. Der Universitäts-Präsident nennt zudem weitere Gründe für die Ablehnung. Etwa, dass der vorgesehene Platz beim Umbau der Innenstadtmensa noch einmal aufgerissen werden muss. Dies sei weder finanziell darstellbar noch würde es dem Gedenkcharakter gerecht, schreibt der Uni-Präsident. Argumente, die Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg, Sohn von Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg, nicht akzeptiert: „Unter dem Strich bestätigt sich nur die Erfahrung, die die Stadtoberen und ihr Umfeld seit Jahrzehnten verwalten und uns aufdrängen: Flucht vor Entscheidungen in hinhaltenden Amtsverfahren und ablenkenden Bekundungen.“ Graf von Stauffenberg sagt, dass es „ein ehrliches Interesse seitens der Universität an einem solchen Denkmal und damit ihren sichtbaren Bezug zum Widerstand offenbar nicht gibt“. Dem widerspricht der Vize-Präsident der Universität Sebastian Kempgen.

Aus der Ablehnung zu deuten, die Universität wolle sich nicht mit Stauffenberg identifizieren, hält Kempgen für „absoluten Blödsinn“. Er führt im Gespräch ein weiteres Argument gegen die Aufstellung auf dem Universitätsgelände an: Die Willy- Aron-Gesellschaft habe die „Folgekosten auf die Universität abwälzen wollen“. Diese könne das nicht finanzieren. Ruppert verweist in seinem Schreiben auch auf inhaltliche Bedenken, die sich nach intensiven Diskussionen der Universitätsleitung mit den Dekanen und der Dekanin ergeben hätten: So sei bemängelt worden, dass man nicht von „dem“ Bamberger Widerstand sprechen könne und die Form der Darstellung nicht hinreichend an einer zeitgemäßen Formsprache orientiert sei. Zudem fordere die Universität „massiv“ ein Mitspracherecht in Fragen der Gestaltung, Benennung und Deutung des Mahnmals, da eine Aufstellung auf dem Campus „unweigerlich zu einer Identifikation der Universität mit dem Mahnmal führt“. „Wir sind zu Gesprächen bereit“ Viele Gründe für eine Ablehnung, die Nikolai Czugunow-Schmitt alle als „fragwürdig“ einschätzt. Gleichwohl wollen er und seine Mitstreiter nicht die Türen zuschlagen. „Wir sind zu Gesprächen über Alternativplätze bereit“, erklärt er, um einen „Plan B“ aus dem Hut zu zaubern: An der Stauffenberg-Villa in der Schützenstraße könnte das Denkmal auch gut aufgestellt werden, meint Czugunow-Schmitt. Die ganze Villa könne in ein „Haus für Zivilcourage“ umgewidmet werden. Doch das lehnt der Neueigentümer der Stauffenberg-Villa ab. Die Postler-Wohnanlagen GmbH „kann kein Haus für Zivilcourage errichten, wenn nicht zum Beispiel die Universität mitmacht und es anmietet“, lässt der Sprecher des Unternehmens verlauten. „Wir sind nur einfache Bauleute, werden die Villa hochwertig sanieren und sie dann ihren originären Wohnzwecken zuführen“, lautet die klare Ansage. Hier kommt wieder die Universität ins Spiel, die sich aber eindeutig positioniert: Ihr Interesse, die Stauffenberg-Villa als Gästehaus zu nutzen, sei an den preislichen Vorstellungen der Familie erloschen, so Vize-Präsident Kempgen. Der Hauptsponsor des Denkmals, der Bamberger Kunsthändler Walter Senger, bleibt bei allen Unstimmigkeiten optimistisch. Er hat einen „Plan C“: „Wir finden schon einen geeigneten Platz, an dem das Denkmal öffentlich gezeigt werden kann“, sagt er. Jetzt habe man „66 Jahre gewartet, bis Graf von Stauffenberg in Bamberg gewürdigt wird“, da komme es auf ein Jahr mehr oder weniger auch nicht mehr darauf an. Senger ist sich sicher, dass die Stadt sich ihrer Verantwortung bewusst ist und „mitzieht“.

Auszug aus einem Artikel, veröffentlicht am 3.8.2010 im Fränkischen Tag Bamberg (Seite 3).

Ein Vergleich verbietet sich
Fränkischer Tag, 7.8.2010

Um etwaige Missdeutungen wegen des auf Stauffenberg sich beziehenden Halbsatzes („zu einer Zeit, als …“) auszuschließen, weise ich darauf hin, dass ich mich explizit auf die Zeit 1932/33 beziehe (unabhängig vom Wahrheitsgehalt der zum Teil divergierenden Quellen) und den späteren Wandlungsprozess Stauffenbergs bis 1944 nicht unter den Teppich kehren will.
Nichtsdestoweniger meine ich, dass die bisherigen Ehrungen genügen und Stauffenbergs zeit­weiliger Auf­ent­halt in Bamberg eine weitere Huldigung nicht gebietet.1

Stauffenberg, 1907 in Jettingen geboren, begann 1926 seine militärische Laufbahn beim Reiterregiment 17 in Bamberg, wurde 1927 zur Infanterieschule nach Dresden abkommandiert und Ende 1928 an die Kavallerieschule in Hannover versetzt. Dann kam er nach Bamberg zurück, wo er 1930 zum Leutnant und 1933 zum Oberleutnant befördert wurde. 1934 wurde er an die Kavallerieschule Hannover versetzt und 1936 an die Kriegsakademie Berlin-Moabit abkommandiert. 1937 wurde er zum Rittmeister befördert. Im Juli 1938 wurde er zur 1. leich­ten Division nach Wuppertal kommandiert, mit der er im selben Jahr an der Besetzung des Sudetenlandes teilnahm (lt. Sekundärliteratur).
Auf der sogenannten Personal-Karte für Ledige zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg (C 9, Nr. 58b bei StadtAB) sind folgende Meldeangaben bis 1933 für Bamberg vermerkt:

  • 1. April 1926, Reiterregiment 17
  • 30. September 1927, Kavallerieschule Hannover; hier unterscheiden sich Literatur und Meldeangaben; der Aufenthalt in Dresden fehlt auf der Meldekarte
  • 1. Oktober 1929, Rückkunft aus Hannover, Michelsberg 8e
  • 15. November 1930, Luitpoldstraße 3/I
  • 15. Februar 1931, Kunigundendamm 35/0
  • 1. August 1933, Schützenstraße 20/0
  • 1. September 1933, Hainstraße 23/0.

Lt. Meldeunterlagen des Stadtarchivs heiratete Stauffenberg am 23. September 1933 Nina Freiin von Lerchenfeld, mit der er fünf Kinder hatte: Berthold (*1934), Heimeran (*1936), Franz-Ludwig (*1938), Valerie (*1940) und Konstanze (*1945). Gewohnt hat er ab der Eheschließung bis 10. Oktober 1934 in der Hainstraße 23 (Hauskarte C 9, Nr. 57b), dann in Hannover, Lister Kirchweg 21 (C 9, Nr. 58c)
Vom 1.1.1939 bis 30.6.1943 hat die Familie in Wuppertal, Lönsstraße 25, gelebt.2 Für das zweite Halbjahr 1940 sind lt. Meldekarte vorübergehende Aufenthalte der Frau mit ihren Kindern in Bamberg, Schützenstraße 20 (Elternhaus Nina v. Stauffenbergs, geb. v. Lerchenfeld), dokumentiert. Nach der Rückkehr aus Wuppertal wohnte die Familie in der Schützenstraße 20. Der amtliche Einzug erfolgte nach erwähnter Hauskarte am 24. Juni 1943. Claus Stauffenberg selbst lebte dann ab 1.9.1943 bei seinem Bruder Berthold (*15.3.1905 Stuttgart, † 10.8.1944 Berlin) in Berlin-Wannsee in der Tristanstraße 83. Kinder der Familie Stauffenberg sind in der Zeit vom 1.7.1943 bis 20.7.1944 anscheinend in Bamberg nicht zur Schule gegangen.4 Nach der Hinrichtung Stauffenbergs am 20.7.1944 ist die Witwe ins KZ gesteckt worden, die vier Kinder wurden in einem Kinderheim in Bad Sachsa [Ldk. Osterode] festgehalten.
Von 1945-1953 soll Nina v. Stauffenberg in Lautlingen gewohnt haben, dann in Bamberg.5 Von der Schützenstraße 20 soll sie am 10. April 1946 offiziell ausgezogen sein (C 9, Nr. 57b) und sich kurz bei v. Petzold, Oberer Stephansberg 3, aufgehalten haben (C 9, Nr. 58c).

Fazit: Stauffenberg, der kein Bamberger im engeren Sinne war, wurde mit den bisherigen Ehrun­gen Genüge getan. Ob er Hitler tatsächlich umbringen und zusammen mit anderen einen neuen demokratischen Staat errichten oder nur die Macht an sich reißen und das Kaiserreich wieder herstellen bzw. eine Militärdiktatur instituieren wollte, lasse ich dahingestellt – genauso wie die wiederkehrenden Behauptungen, dass die „Widerständler“ die Wie­derher­stellung der vor 1933 in der Verfassung ga­rantierten Freiheiten und Rechte wollten, die Wiedereinführung der parlamentarischen Demokratie jedoch abgelehnt hätten.
Die Willy-Aron-Gesellschaft soll sich um Aron kümmern und nicht – unter falscher Flagge segelnd – um Personen, die nicht satzungsimmanent sind.

Andreas Sebastian Stenglein
Bamberg-Gaustadt, 9. Oktober 2010
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1Es wurden eine Straße, ein Platz sowie eine Realschule nach ihm benannt.

2„Er war mehr als nur ein Held“ von Stefan Melneczuk: „Fest steht allerdings, dass Stauffenberg mit seiner Familie von Januar 1939 bis Ende Juni 1943 an der Lönsstraße 25 in Barmen wohnte und zuvor im Juli 1938 als Generalstabsoffizier nach Wuppertal abkommandiert worden war …“ „Stauffenberg lebte in Barmen“ von Manfred Görgens: „In Wuppertal trägt ein Weg nahe der Müllverbrennung den Namen des Widerstandskämpfers, der zwischen dem 1. Januar 1939 und dem 30. Juni 1943 an der Lönsstraße 25 in Barmen wohnte. Tatsächlich war Stauffenberg bereits im Sommer 1938 mit seiner Frau Nina ins Bergische gekommen, um als Versorgungsoffizier beim Stab der 1. Leichten Division zu dienen …“ „Wuppertals zögerlicher Umgang mit einer berühmten Persönlichkeit“ von Conrads (5.11.2007): „Die Stadt Wuppertal hat auf Küllenhahn einen Weg nach ihm benannt, weil er vom 1. Januar 1939 bis 30. Juni 1943 mit seiner Familie auf dem Barmer Heidt gewohnt hat. Der 1907 in Schloss Jettingen bei Günzburg geborene Claus Schenk Graf von Stauffenberg kam im Juli 1938 als Rittmeister nach Wuppertal, um als Versorgungsoffizier beim Stab der 1. Leichten Division […] Dienst zu tun. In der Lönsstraße 25 war Familie von Stauffenberg vom 1. Januar 1939 bis 30. Juni 1943 zuhause. Die beiden Söhne besuchten die Volksschule Kleestraße …“ Lt. Wehrstammbuch (bei Bundesarchiv-Militärarchiv, Signatur: Pers 6/83023) wurde Stauffenberg am 15.2.1943 zum Generalstab (Ia) der 10. Panzer-Division versetzt. Als Wohnort der Familie ist ab 26.6.1943 Bamberg, Schützenstr. 20, angegeben. Das Stadtarchiv Wuppertal schrieb mir am 7.9.2010: „Die historische Einwohnermeldekartei ist durch Kriegsverlust äußerst lückenhaft. Claus Schenk Graf Stauffenberg ist dort nicht verzeichnet, nur eine andere Familie, die sich Staufenberg schreibt und augenscheinlich nichts mit dem Widerstandskämpfer gemein hat. Verließ eine Person Wuppertal, wurde die Karte ohnehin aus der Kartei entfernt.“

3Vgl. Berthold Schenk Graf von Stauffenberg – Wikipedia und Berlin, Tristanstr.

4Schülerbogen der Zentralschule (Martinschule) bzw. Domschule liegen im Stadtarchiv nicht vor. Die Durchsicht des gedruckten Jahresberichts 1944/45 des Neuen Gymnasiums erbrachte die Information, dass der älteste Sohn Berthold diese Schule nicht besucht hat. Für die Oberrealschule und das Alte Gymnasium sind im Stadtarchiv für dieses Schuljahr keine Jahresberichte vorhanden.

5Stauffenbergs Frau soll die Nachricht über das fehlgeschlagene Attentat ihres Mannes auf Adolf Hitler am Morgen des 21. Juli auf dem Familiensitz der Stauffenberg in Lautliegen (heute ein Stadtteil von Albstadt, Württemberg) gehört haben, wo sie sich mit ihren Kindern zu Besuch bei ihren Schwiegereltern befand. Zwei Tage später wurde sie (im dritten Monat schwanger) von der Gestapo verhaftet und zuerst ins Gestapo-Gefängnis am Berliner Alexanderplatz gebracht, später in den „Bunker“ (Einzelhaft) des Konzentrationslagers Ravensbrück. Die vier Kinder wurden in ein Kinderheim in das niedersächsische Bad Sachsa verschleppt und dort festgehalten. Nina von Stauffenberg brachte ihr fünftes Kind, Konstanze, während der Haft am 27. Januar 1945 in einem Frauenentbindungsheim der Nationalsozialisten in Frankfurt/Oder zur Welt. Zusammen mit ihrer neugeborenen Tochter kam sie als Sondergefangene in das St. Josephstift Potsdam und wurde nach einer Odyssee durch verschiedene Konzentrationslager bei Kriegsende nach Südtirol verschleppt. Nach Auflösung des Lagers in Südtirol soll sie sich unter falschen Namen mit ihrer kleinen Tochter nach Oberfranken durchgeschlagen und Obhut im Schloß Heinersreuth gefunden haben. Die vier anderen Kinder hätten sich auf dem Stauffenberg´schen Familiensitz Lautlingen befunden. Nina v. Stauffenberg lebte dann mit ihren fünf Kindern in Lautlingen, ehe sie in ihr Elternhaus nach Bamberg zog.