Bauplatz der Pfarrkirche Gaustadt

In der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Gaustadter Pfarrkirche heißt es in der „Geschichte der Pfarrei St. Josef“ lapidar:

„Durch Erlass des Königs Ludwigs II. von Bayern vom 06.05.1879 wurde die Errichtung der Pfarrei in Gaustadt genehmigt … Am 14.09.1879 wurde der erste Pfarrer Gottfried Arnold installiert, unter dem die Gemeinde- und Kirchenverwaltung am 15.03.1886 eine Eingabe an das Königliche Innenministerium machte, in der der räumliche Mangel geschildert und darauf hingewiesen wurde, dass die Gemeinde 1374 Seelen umfasse, nachdem der Fischerhof und der Cherbonhof eingepfarrt worden seien … In der Fabrik seien 1400 Personen beschäftigt und es sei mit der Ausbreitung gemeingefährlicher Ideen zu rechnen, da nicht einmal der vierte Teil der Arbeiter in der Kirche untergebracht werden könne … Das Innenministerium genehmigte 10.000 Mark, wovon vorerst 5.000 Mark ausgezahlt wurden.

Ab dem 26.10.1887 war Franz-Josef Rattler als Pfarrer tätig … Der am 18.08.1888 ins Leben gerufene Kirchenbauverein verpflichtete seine Mitglieder, mindestens 20 Mark monatlich als Beitrag zu leisten … 1889 zahlt das Ministerium die 2. Hälfte in Höhe von 5.000 Mark, die königliche Regierung trägt 2.000 Mark bei. Das Ordinariat spendet 45.000 Mark zu den auf ca. 99.100 Mark geschätzten Gesamtkosten … Die von der Kirchenverwaltung am 23.11.1895 beantragte Kollekte in sämtlichen katholischen Kirchen des Königreichs Bayern einschließlich der Pfalz – ‚1800 Seelen seien zu betreuen, wovon 7/8 Fabrikarbeiter seien, die von der Sozialdemokratie umworben würden‘ – erbrachte 66.193 Mark.

Das Grundstück (der Bauplatz) konnte in einer hervorragenden Lage auf dem Knock in unmittelbarer Nähe zum Pfarrhaus günstig von Schneidermeister Michael Zimmermann aus Bischberg um 50 Mark pro Dezimal = 6.600 Mark erworben werden. Zimmermann hatte das Grundstück von seiner Frau als Heiratsgut erhalten …“1

Soweit der Artikel, den ich etwas gekürzt und zur besseren Lesbarkeit leicht geglättet habe.

Leider steht in dem Beitrag kein Wort über die Frau, die das Grundstück als Hochzeitsgut einbrachte. Um die Sache aufzuhellen, habe ich sowohl die Matrikelbücher der Bischberger Pfarrei, zu der Gaustadt ja von 1806 bis 1879 gehörte (vorher zur Oberen Pfarre Bamberg), als auch die Grundsteuerkataster von Gaustadt durchstudiert. Das ist dabei herausgekommen:

Der in Rede stehende Schneidermeister Michael Zimmermann (*17.11.1835 Bischberg Nr. 34) war in erster Ehe mit der Bischberger Kunigunda Knoblach verheiratet (oo 25.06.1860), die am 26.02.1874 gestorben ist. Als Witwer ehelichte er am 28.12.1875 die Maurertochter Josepha Müller aus Gaustadt aus dem Anwesen 42 1/2. Genannt wurde das Paar auf dem Haus Nummer 33, nun Hauptstraße 61. Zimmermann verschied am 28.02.1898, die hinterbliebene Witwe am 03.03.1922.

Die in Betracht kommende Gaustadter Sippe namens Müller geht auf den Schuhmacher Nikolaus Müller und dessen Ehefrau Margareta, geb. Vogel, zurück. Das Stammhaus war der Hof Nummer 5, der 1821 in 5a und 5b, heute Hauptstraße 29b und 29a, geteilt wurde.2 Von diesem Paar sind zwei Söhne bezeugt. Beide hießen Georg und waren am 31.05.1785 bzw. 08.06.1792 geboren. Der erstgeborene Georg heiratete am 23.09.1811 die Josepha Schneider aus Stadt­steinach (*22.02.1787). Er verschied am 20.02.1816. Kinder aus dieser Ehe sind nicht beurkundet. Die Witwe wurde sodann am 09.08.1817 vom jüngeren Bruder ihres verstorbenen Mannes zum Traualtar geführt. Dieser Ehe entsprossen (wenigstens) vier Buben:
Franz (*03.12.1819), Kaspar (*24.02.1822), Georg (*28.07.1825) und noch einmal ein Georg (*19.06.1829). Bezeichnet werden sie als Maurer, Waldaufseher, Rottmeister und Maurer.

    1. Franz, der Vater der besagten Josepha, hat sich am 20.05.1845 mit der Schmiedstochter Anna Maria Knoblach (*20.10.1819 in 19; richtig 17, nun Hauptstraße 23) verehelicht. Josepha, die das Feld als Mitgift nach Bischberg brachte, ist am 13.11.1846 zur Welt gekommen. Gestorben sind die Eltern am 31.08.1893 bzw. 29.08.1893. Besessen hat die Familie das Anwesen 42 ½, das auch einmal die Nummer 80 hatte und heute die Bezeichnung Anna-Linder-Platz 4 hat. Nach den Katastereintragungen wurde das Grundstück 1826 von Georg Bayer (Besitzer des Anwesens 43, jetzige Bezeichnung Hauptstraße 37) gekauft und das Haus im Jahre 1847 gebaut. 1893 wird ein Michael Härtl als Eigentümer genannt. Das Haus steht als Relikt aus jener Zeit im Kirchplatz.
    2. Kaspar, ehelich mit der Ursula Kraus aus Gaustadt (*31.05.1826) verbunden, wurde auf den Besitzungen Nummer 43b, 43, 38 und 56 ½ erwähnt. Das Zeitliche segnete er am 15.08.1902 im Anwesen Nr. 56 ½, die Frau tat ihren letzten Atemzug am 03.12.1891 in Nummer 38. Re­gis­triert sind (wenigstens) zwei Buben: Friedrich (*16.03.1850) und Lothar (*13.07.1852), einer in Nummer 5, einer in Nummer 43. Kaspar ist der Ahnherr jener Familie namens Müller, die noch vor ein paar Jahren in der Bachstraße 5 (früher Hausnummer 7, später 38) ansässig war.
    3. Georg (I), verheiratet mit Frau Sabina, geb. Reinfelder (*03.04.1824 Gaustadt 8, nun Bachstraße 7). Ihm sind (wenigstens) zwei Buben getauft worden: Adam (*02.02.1847) und Kaspar (*28.02.1849), beide in Nummer 5 (jetzt Hauptstraße 29a). Gestorben ist er am 19.01.1893, die Frau am 23.07.1891, beide in Nummer 44, was sehr fragwürdig ist, da dieses Anwesen mit der jetzigen Bezeichnung Hauptstraße 33 zu jener Zeit der Familie Knoblach (vorher Pfister, später Alt/Schneider) gehörte. Weitere Forschungen habe ich nicht angestellt.
    4. Georg (II) schloss am 29.08.1853 mit der Kunigunda Lieb (*14.03.1824 Baunach) die Ehe. Zwei Buben sind im Haus Nummer 43 zur Welt gekommen: Franz (*06.03.1856) und Georg (*12.08.1864). Von Belang ist der Georg. Der nahm sich die Schmiedstochter Walburga Knoblach (*07.01.1865 Nr. 19, richtig 17, wenn nicht 44 in Betracht kommt) zur Frau. Dieses Paar hatte neben einem nicht verheirateten Sohn Franz eine Tochter Elisabeth (*04.05.1904), die Mutter des jetzigen Besitzes des Hauses Bernhard Schmitt. Heute hat das Haus die Bezeichnung Gaustadter Hauptstraße 37.3

Die Frage, wer die Frau gewesen ist, die das Feld als späteren Bauplatz für die Kirche ihrem Mann als Hochzeitsgut einbrachte, ist beantwortet. Es war die am 13.11.1846 geborene Josepha Müller aus dem Haus Nummer 42 ½, heute Anna-Linder-Platz 4. Ihre Eltern waren beide aus Gaustadt, aus Nummer 5 und 19. Das Feld (der Bauplatz) stammte aus dem ursprünglich zum Anwesen 43 (Hauptstraße 37) gehörenden Besitz.
Die Grundsteinlegung für die Kirche war am 17. September 1899, die Einweihung erfolgte am 5. und 6. Mai 1906.

Meine Nachforschungen habe ich nolens volens auf die gesamte Sippe Müller ausgedehnt bzw. ausdehnen müssen, die – von Peter Müller in der Fritz-Eberle-Straße abgesehen – im Mannesstamme ausgestorben zu sein scheint.
Ich hoffe, dass mir die Arbeit einigermaßen gut gelungen ist und sie einen kleinen Beitrag zur Ortsgeschichte leistet.

Andreas Sebastian Stenglein
Bamberg-Gaustadt, im November 2009

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Nach der Säkularisation 1802 wurden die Gehöfte in Privateigentum überführt, worüber die „Grundsteuer- und Umschreibkataster für die Gemeinde Gaustadt, Kgl. Landgericht und Rentamt II“, im Bestand des Staatsarchivs Bamberg (StAB) Auskunft geben (Repertorium K 211, Nr. 181 ff.).


1) Wenn ein Dezimal = 34,08 Quadratmeter 50 Mark kostete und 6.600 Mark gezahlt wurden, war der Platz (6.600 : 50 =) 132 Dezimal oder 4.498,56 m² groß, d. h. dass 1,47 Mark pro m² gezahlt wurden.

2) Die in der Matrikel angegebenen Hausnummern weichen mehrmals von Eintrag zu Eintrag voneinander ab. Hausnummern sowie Plan- und Grundstücksnummern sind offensichtlich hin und wieder durcheinandergeraten. Anhand der Grundsteuer- und Umschreibkataster der Steuergemeinde Gaustadt beim Staatsarchiv Bamberg (unter K 211, Nr. 181 ff., Nr. 1841, 1861 und 1862, Nr. 191 und 192 usw.) sowie der verschiedenen (Hausnummern-)Verzeichnisse der Gemeinde Gaustadt beim Stadtarchiv Bamberg (C 51, Nr. 1022, 1023, 1952 und 2472) habe ich sie so gut es ging den heutigen Gegebenheiten angepasst.

3) Das Haus hat 1808-1817 der Landesdirektionsrat Christian Wilhelm Stenglein (*18.11.1752 Herzogenaurach, promovierter Jurist) besessen, der mit Regens Franz Stapfs Schwester Eleonore (*04.02.1771 Hallstadt) verheiratet war und zusammen mit seinem Bruder Ignaz Stenglein (*29.12.1745 Lichtenfels, Dr. theol. und Professor) maßgeblichen Anteil an der Neuorganisation der Bamberger Diözese im Zuge der Säkularisation hatte.
Dr. Franz Stapf (*02.05.1766 Bamberg) hat am 07.05.1808 die Sebastianikapelle unter Mitwirkung des aus Gaustadt stammenden Geistlichen Dr. Georg Leicht (*28.10.1777) benediziert.
Das Haus Nummer 43 war ab 1817 ein Kuriosum: Es war in zwei Hälften mit zwei Besitzern geteilt (43a und 43b, auch 72a und 72b) und ist erst in jüngerer Zeit zusammengeführt worden. Die dritte Behausung 43c ist entweder nicht mehr da oder sie existiert unter der Nummer 37a.