Das Gaustadter Brauereiwesen

Nach gängiger Meinung gab es in Gaustadt zwischen 1400 und 1500 bei rund 40 Haushaltungen drei Wirtshäuser, die dem Kloster Michelsberg, dem Elisabethen-spital und dem Domkapitel lehnspflichtig waren: Das „Untere Wirtshaus“, das „Obere Wirtshaus auf dem Knock“ und das „Wirtshaus zum Hirschen“. Ab wann sie Bier brauten, ist dokumentarisch nicht bewiesen.
Neben diesen sozusagen offiziellen Wirtshäusern, in denen Wein und Bier ausgeschenkt wurde, gab es auch mit den heutigen Heckenwirtschaften vergleich- bare inoffizielle, in denen die Weinbergsbesitzer (Häcker) ihren selbsterzeugten Wein ausschenkten (siehe meine Veröffentlichungen über die Gaustadter Wirtshäuser).

Ein Wirtshaus will ich wegen der damit verbundenen Frage des Braurechts etwas näher unter die Lupe nehmen – das aus dem ab 1424 nachgewiesenen „Jungfrauenhöflein“ hervorgegangene „Untere Wirtshaus“ (auch „Wirtschaft zum goldenen Stern“ bezeichnet), das, wie sich aus einem Eintrag im „Gerichtsbuch des Klosters Michelsberg 1542“ (beim Staatsarchiv Bamberg [StAB]: B 110, Nr. 361) beweisen lässt, mindestens seit 1541/42 besteht.

Die Beantwortung der Frage, ab wann in Gaustadt und auch in Bamberg Bier gebraut wurde, ist gar nicht so einfach, weil darüber viel Gescheites und auch viel Dummes geschrieben wurde und heute noch erzählt wird. Das beginnt schon bei der erstmaligen Erwähnung eines Bierausschanks und der Verleihung des Braurechts in Bamberg.
So bezieht sich – wie bei Hans Paschke in „Neun Jahrhunderte Bamberger Gastlich- keit, Bamberger Wein und Bamberger Bier“ in: Fünfundsiebzig Jahre Kreisstelle Bamberg Land im Landesverband des bayerischen Hotel- und Gaststättengewerbes [1960] nachzulesen ist – die angeblich erstmalige Erwähnung eines Bierausschanks in Bamberg im Jahre 1093 nicht auf einen solchen in Bamberg, sondern auf den Verzehr von Bier in Frankendorf. Und auch die Verleihung des Braurechts durch Bischof Otto I. im Jahre 1122 hat keinen Bezug zu Bamberg, weil – so steht es bei Rainer Braun „Das Benediktinerkloster Michelsberg, 1015-1525: eine Untersuchung zur Gründung, Rechtsstellung und Wirtschaftsgeschichte [Bd. 1 Kulmbach, 1978]“ (= Das Benediktinerkloster Michelsberg/1) – in diesem Jahre dem Vogt von Gestungshausen (bei Coburg) und nicht dem Bamberger Benediktinerkloster das Braurecht verliehen worden ist. Dr. Christian Fiedler, ein profunder Kenner der Bamberger Brauereiszene, hat aus gutem Grunde beide Jahreszahlen nicht expressis verbis in sein Buch „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres [2004]“ übernommen. Gleichwohl kann guten Gewissens davon ausgegangen werden, dass die Benediktiner ab der Gründung des Klosters anno 1015 mit oder ohne Genehmigung gebraut haben.

Nun zur Gründung der Gaustadter [unteren] Brauerei, wie sie sich anhand des „Klag- und Konzeptbuchs des Michelsberger Klosters“ (im Bestand des StAB unter B 110, Nr. 165) wiedererzählen lässt.
Am 12. März 1718 (es war ein Samstag) machte sich der Michelsberger Lehns-nehmer Hans Georg Morg aus Gaustadt1 auf den Weg, um im Kloster ein Darlehen von 70 Gulden zu erbitten, „weilen er ohnentbehrlich eine scheuern und stall zur fordführung seiner wirthschaft bauen müsse“.2 Diesem Ansuchen wurde „zu Vermehr und Besserung der Closter Lehen und in Beförderung des Supplicanten [= Bittstellers] wohlfahrt nach Closters gebrauch willfahren“.
Morg scheint nun aber nicht eine Scheune und einen Stall im herkömmlichen Sinne, sondern etwas anderes gebaut zu haben, weil sich sonst der domkapitelsche Wirt Heinrich Röckelein vom „Wirtshaus zum Hirschen“, dem heutigen Oberen Wirtshaus (Hauptstraße 31), nicht darüber erregt und sich am 14. Oktober 1718 (Freitag) im Kloster beschwert hätte. Ihm passte es nicht, dass das Kloster „ein Brawhaus dhaselbst aufrichten lasse“, wozu es „ohne landts-fürstliche Consentz [= Genehmigung] nicht berechtiget wehre“. Höflich aber bestimmt verlangte er, „gleich wie ab exemplo [= zum Beispiel] ohnlängst zu Gremsdorf eben also nun auch in Gaustat mit einschlagung des brawhauß zu verfahren“ (d. h., das Brauhaus einzureisen).

Das Kloster ließ den Petenten abblitzen.

Debito modo [= pflichtschuldigst] sei zu antworten“, so heißt es wörtlich, „daß in ijs quae contra jura facta sunt a simili ad simile [= dass von einer tatsächlichen oder ver- meintlichen widerrechtlichen Begebenheit] keine consequentz zu deduciren [= abzu- leiten sei], sondern das Closter so die oberdorffsgemeindherrschaft sambt der Vogteylichkeit zu gaustat hergebracht be- rechtiget seye, das Schenck- und Brawrecht tamquam effectus juris Vogtetici [= gleichsam aufgrund Vogtei’schen Rechts] zu vergeben undt zuzulassen ohne Consens eines Landtsfürsten, wie dan würcklichen geschehen … [Im Übrigen sei] dem Supplicanten Röckelein als dhomb-capitl. Unterthanen es biß hierher noch nicht gestattet noch zu brauwen ihm einverwilliget worden“, was etwas einfacher ausgedrückt heißt: „Im Übrigen sei dem Bittsteller und domkapitelschen Untertanen Röckelein bisher das Brauen noch nicht gestattet bzw. bewilligt worden.“3
Das Kloster hat sich von dem Hinweis auf die tatsächliche oder vermeintliche Zuständigkeit des Landesfürsten, des Fürstbischofes Lothar Franz von Schönborn (1693-1729), nicht beeindrucken lassen und ist von seiner Auffassung nicht ab- gewichen, woraufhin der Fürst vor Gericht zog, jedoch zum Schluss vor dem Reichshofrat in Wien verlor (Ortschronik, Seite 156).
Derselbe Morg, der mit seinem Bau den domkapitelschen Wirt Röckelein zur Weißglut gebracht hatte, geriet seinerseits ein paar Jahre später wegen einer ähnlichen Sache in Rage. Jedenfalls wurde er, der „Georg Morg, Closter M[ichels]berg[ischer] Schultheiß zu gaustat“, am 8. April 1722 in der Klosterkanzlei vorstellig „und stellet [gemeint: brachte] vor, wie [= ob] einer löbl[ichen] Cantzley bekannt seye, daß Georg Grohe hochfürstlich-bambergischer Mundschenk dahier deß Georg Krugs Behausung gekaufet und dieselbe anjezo zu [be]bauen gemeinet seye,4 so thäte er sich befürchten, es möge der Mundschenck heute oder morgen Bier und Wein auszappfen, zumahlen der Bau dem ansehen nach dahin[gehend] eingerichtet würde, derweilen ihme das Brawrecht viel gekostet5 und auff solche weiß ihme seine nahrung nothwendig abgehen würde und er ins Verderben gerathen müsste.“ Der Mundschenk versicherte, „daß er nicht gesinnet sey, ein wirthshauß aufzubauen umb Bier und Wein zu zapffen“, wodurch die Sache ihr Bewenden hatte (B 110, Nr. 169 bei StAB). Georg Morg, Schultheiß und Gastwirt zum Goldenen Stern, verheiratet mit Theresia, ist lt. „Röttinger-Kartei“ am 4.12.1726 gestorben (freundlicher Hinweis von Christian Fiedler vom 6.7.2006).

Aus der Antwort des Klosters auf die Beschwerde vom 14. Oktober 1718 wird nun von interessierter Seite das Gründungsjahr 1718 abgeleitet, obwohl es eine Urkunde, die explizit das Braurecht gewährt, nicht gibt. Wenn überhaupt, könnte allenfalls Morgs Äußerung vom 8.4.1722 als Beweis dienen. Warum im Übrigen das Jahr 1718 so wichtig sein soll, wenn doch schon vor dieser Zeit Bier ausgeschenkt worden ist, das ja vorher gebraut sein musste, begreife ich nicht. Es sei denn, dass es woandersher – z. B. vom Kloster oder gar vom domkapitelschen Wirtshaus – bezogen wurde und nur gezapft worden ist, was die Geschichte der Gaustadter Wirtshäuser allerdings in einem anderen Licht erscheinen ließe.

Aus jüngerer Zeit ist erwähnenswert, dass Johann Baptist Häfner im Jahre 1865 aus dem Gehöft Nr. 4 (Dr. Martinetstraße 2) die Brauerei erwarb und sie 1871 auf seinen Neffen Philipp aus dem Anwesen Nr. 48 (Dr. Martinetstraße 15) überging, der sich am 20. Juni 1872 mit der Apollonia Maislein aus Stegaurach verehelichte, die nach seinem Tod (+ 31.8.1876) am 8. Januar 1878 mit dem Brauer Georg Anton Müller aus Frankenwinheim eine neue Ehe schloss.
Aus der Verbindung Häfner – Maislein stammten zwei Buben: Michael und Johann, aus der Ehe Müller – Witwe Häfner vier Mädchen: Anna Maria, Agnes, Monika und Elisabeth. Die Brauerei bekam die Tochter Monika und damit ihr Mann Georg Wörner6. Später firmierte die Brauerei unter „Bürgerbräu Gaustadt“, heute unter Kaiserdom-Privatbrauerei Bamberg“.

Die neuere Zeit, die ich bis 1972 fortschreiben könnte, ist nicht mehr Gegenstand dieser Betrachtung. Der Umzug der Brauerei auf das Gelände an der Breitäckerstraße ist mir gegenwärtig, weil ich als seinerzeitiger Bürgermeister mit dieser Maßnahme direkt befasst gewesen bin.

Andreas Stenglein, im Juli 2006

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1) Bei Dr. Adam Martinet „Das öffentliche Leben der Landgemeinden des ehemaligen Fürsten- thums Bamberg oder: Innere Geschichte des Dorfes Gaustatt. Ein Beitrag zur deutschen Rechts- und Sittengeschichte“ in: Bericht des Historischen Vereins für die Pflege der Geschichte des ehemaligen Fürstbistums Bamberg (BHVB) Nr. 8, 1845, Seite 65, wird Görg Morg ab 1716 als „Wirth zum goldenen Stern“ genannt. Lt. Georg Pfuhlmann „Geschichte unseres Heimatdorfes Gaustadt [1949]“ zählte der Ort damals (1721) 191 Einwohner: 177 Einwohner im Ortskern, acht im Gumbertsbrunnen, dem heutigen Fischerhof, und sechs auf dem Biegenhof, der über dem Wasser etwa im Bereich der Firma RZB (Rudolf Zimmermann, Bamberg GmbH) lag.

2) Eine Scheune und einen Stall braucht man eigentlich nicht zur Fortführung einer Gastwirtschaft, sondern zum Fortbestand einer Landwirtschaft, was mit „wirthschaft“ auch gemeint sein dürfte. Es handelt sich um das sog. Jungfrauenhöflein (mit der heutigen Straßenbezeichnung Hauptstraße 26), das, ehe es Besitz des Klosters Michelsberg geworden ist, den „Jungfrauen zum heiligen Grab in Bamberg“ gehört hatte (daher der Name).

3) Daraus ist zu folgern, dass a) Röckelein ohne Genehmigung des Klosters braute und b) sich das Kloster anmaßte, als größte Lehnsherrschaft in Gaustadt (oberdorffsgemeindherrschaft!) auch für die Erteilung des Braurechts für domkapitelsche Lehnsnehmer zuständig zu sein. Das ist Unsinn. Zuständig für die Erteilung des Braurechts für das domkapitelsche Wirtshaus war das Domkapitel bzw. die Regierung, nie und nimmer das Kloster, das sich einerseits vom Landesfürsten nichts dreinreden lassen und andererseits über ihm nicht untertane Menschen bestimmen wollte.

4) 1726 wird Grohe, der in Bamberg das Gast- und Brauhaus mit der späteren Bezeichnung „Zum Wilden Mann“ in der Unteren Sandstraße 9 besaß, in Gaustadt auf Nummer 28½ (heute Hauptstraße 24, also direkt neben dem Jungfrauenhöflein) genannt. Die Vorbesitzer hießen aber Kraus, nicht Krug.

5) Das kann eigentlich nur bedeuten, dass das Braurecht erstmals neu erworben wurde und vorher nicht – allenfalls ohne Genehmigung – gebraut worden ist.

6) Siehe dazu meine Veröffentlichungen „Die Gaustadter Wirtshäuser (2004)“ und „Die Metzger- bzw. Gastwirtsfamilie Häfner in Gaustadt [2004 und 2006]“.