Die Gaustadter SPD
Die SPD ist die älteste Partei in Gaustadt. Sie wurde 1910 gegründet; die Bayerische Volkspartei folgte im Jahre 1918. Über die Geschichte der SPD gibt es nur eine fundierte Abhandlung, die vom früheren SPD-Unterbezirksgeschäftsführer Oskar Krause, welche anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Ortsvereins im Jahre 1986 veröffentlicht wurde. Als Quellen dienten ihm insbesondere die Archivalien des Stadtarchivs Bamberg und des Staatsarchivs Bamberg sowie der Staatbibliothek Bamberg. Mit seiner ausdrücklichen Genehmigung veröffentliche ich diesen Artikel – leicht geglättet – auf meiner Website. Soweit es ging, habe ich ihn ergänzt [und die Ergänzungen in eckige Klammern gesetzt].
„Die Anfänge der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in Gaustadt
Im Gründungsjahr der Gaustadter SPD bestand die Partei im Deutschen Reich bereits über 45 Jahre. Gestärkt aus der ersten großen Verfolgung durch das Bismarcksche Sozialistengesetz hervorgegangen, zählte sie zu diesem Zeitpunkt über 400 000 Mitglieder; in Nordbayern waren es schon über 30 000, die sich der Sozialdemokratie verbunden fühlten. Daran gemessen, mag die Gründung des Ortsvereins in Gaustadt am Sonntag, 30. Januar 1910, relativ spät erscheinen. In Wirklichkeit aber bedeutete dies nun in Zukunft ein selbstständiges Wirken als Ortsverein, losgelöst vom nahegelegenen sozialdemokratischen Verein Bamberg. Die Sozialdemokratie in Gaustadt sah ihren Schwerpunkt in der Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiterschaft. Es wäre weit gefehlt zu glauben, daß die Partei nach dem Ende der Verbotsära 1892 ein ungestörtes Parteileben hätte entfalten können. Noch 1910 und Jahre später waren die Behörden auch bei uns noch gehalten, „sozialdemokratische Bestrebungen und Umtriebe“ aufmerksam zu beobachten und zu melden. Ein entsprechender Akt mit dem Titel „Vollzug des Gesetzes gegen die gemeingefährliche Socialdemokratie“ aus dem Bezirksamt Bamberg II befindet sich im Staatsarchiv Bamberg.
Die Anfänge der Arbeiterbewegung in Gaustadt lassen sich aber weiter zurückverfolgen. So wissen wir aus einem Überwachungsbericht des Gerichts-dieners Kaufmann, daß sich am 16. Juni 1850 Mitglieder des Arbeitervereins Bamberg im Gasthof „Fischerhof“ getroffen haben. Dieser Verein gehörte zu der vom Buchdrucker Stephan Born [*18.12.1824 Lissa, †4.5.1898 Basel] ins Leben gerufenen „Arbeiterverbrüderung“. Diese erste deutsche Arbeiterpartei wollte, wie es einem Aufruf zu entnehmen ist, für die „Verwirklichung der sozialen Demokratie“ kämpfen. Allerdings entwickelte sich diese Bewegung auch in Bamberg für die bestehende Ordnung so gefährlich, daß am 13. Juli 1850 der „Bamberger Arbeiter-Verein“ von der Regierung von Oberfranken geschlossen wurde.
1856 – Aufbau einer Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei
Im Jahre 1856 gründeten Kaufmann Friedrich Krackhardt aus Bamberg [*25.10.1815 Schweinfurt, †30.8.1879 Bamberg] und Finanzrat Ludwig August Riedinger aus Augsburg [*19.11.1809 Schwaigern, †20.4.1879 Augsburg] eine Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei auf dem Gebiet der Gemeinde Gaustadt. Dieses Vorhaben veränderte in den folgenden Jahren die Strukturen Gaustadts. Aus einer landwirtschaftlich orientierten Siedlung entwickelte sich eine Industriegemeinde. Die Spinnerei beschäftigte bis zum Ausbruch des Weltkrieges 1914 etwa 1800 Arbeiter sowie rund 80 Angestellte. In den 1870er Jahren übernahm Heinrich Semlinger [*29.3.1849 Hemhofen, †30.12.1929 Gaustadt] eine führende Position in der Firma, die er ab 1885 alleine leitete. Von Beginn an suchte die Leitung der Fabrik ihre Arbeiterschaft vor fremden Einflüssen zu schützen. Zu diesem Zweck gründete man fabrikeigene Vereine. Man stellte für Gesang und Turnen einen Theatersaal zur Verfügung. Um die Bildung der Arbeiterschaft anzuheben, errichtete die Firmenleitung eine Bibliothek mit Leseraum. Es entstand eine eigene freiwillige Feuerwehr und seit 1872 gab es einen Kindergarten und eine Strick- und Arbeitsschule für Mädchen bis 14 Jahre. „So war es auch nicht verwunderlich, daß bei der hießigen Textilarbeiterschaft kein Verständnis für eine gewerkschaftliche Organisation vorhanden war“, heißt es in einer Rückschau eines damaligen Zeitzeugen. Im Jahre 1897 kam es erst zur Gründung einer Zahlstelle des Deutschen Textilarbeiterverbandes (DTAV) in Bamberg. Es dauerte nicht lange und es wurde als Gegenstück ein „christlicher“ Textilarbeiterverband aus der Taufe gehoben. Den Hauptteil der Versammlungsbesucher stellte dabei die Belegschaft der Spinnerei Gaustadt. Bei Versammlungsbeginn wurde bekannt gegeben, „daß Herr Direktor Semlinger erfreulicherweise gestattet habe, daß sich seine Arbeiter dem „Christlichen Textilarbeiterverband“ anschließen. Später gründete Heinrich Semlinger noch einen „nationalen“ (gelben) Arbeiterverein und einen Konsum-vereinsladen. Er wollte damit den Zulauf der Arbeiterschaft zum DTAV verhindern, aber das Gegenteil wurde bewirkt. Die Arbeiterschaft im Textilbereich wehrte sich gegen die Bevormundung sowie gegen die schlechte Entlohnung und Behandlung.
Erste sozialdemokratische Volksversammlungen
Bamberger Sozialdemokraten versuchten nach dem Ende der Sozialistengesetze den Wahlerfolg der Partei auch im organisatorischen Bereich umzusetzen. Am 24. Juli 1892 führte der Bamberger Parteivorsitzende Johann Löblein [Biografisches war nicht zu ermitteln] eine Versammlung im Gasthaus „Zum grünen Saale“ [richtig: „Zum grünen Tal“] durch. Aus Anlaß der Reichstagswahl 1893 sprach ebenfalls auf einer Volksversammlung der Kandidat der Sozialdemokratie, [Karl Michael] Oertel aus Nürnberg [*29.1.1866 Forchheim, †4.4.1900 Nürnberg], am 28. Mai 1893 in Gaustadt. In den nun folgenden Jahren fehlen leider jegliche Aufzeichnungen. Doch muß es in Gaustadt Mitglieder der Sozialdemokratie gegeben haben, denn in einer Anfrage aus dem Jahre 1895 sollte über das Bezirksamt Bamberg II in Erfahrung gebracht werden, welche Sozialdemokraten zum Militärdienst einberufen wurden. Die Rückantwort spricht dann von 5 namentlich bekannten Mitgliedern. Ein weiterer Beleg ist die Anfrage des Bezirksamts II an den Stadtmagistrat von Bamberg, wie die sozialdemokratische Tageszeitung zugestellt werde. Um diese Zeit gab es in Bamberg seit 1893 als erste sozialdemokratische Tageszeitung die „Bamberger Volks-Zeitung“. Verlag und Redaktion waren beim Vorsitzenden der Bamberger Sozialdemokratie Joseph Straub [Biografisches war nicht zu ermitteln; er soll kurz vor Kriegsausbruch gestorben sein]. Auch nach dem Scheitern dieser Zeitung im März 1897 wurden die Parteimitglieder mit einer Zeitung, nun der „Fränkischen Tagespost“ aus Nürnberg, beliefert. So antwortete denn auch der Stadtmagistrat, „daß für die hiesigen und Gaustadter Abonnenten von dem Schneidermeister Joseph Straub (die Zeitung) zur Besorgung und Austragung gelangt“.
Wenn auch weiter zur Zeit keine Unterlagen über Veranstaltungen vorhanden sind, so sprechen doch viele Tatsachen dafür, daß die Arbeiterschaft in Gaustadt fleißig von der Sozialdemokratie und ihrer Gewerkschaften umworben wurde. So beklagt etwa Geheimrat Semlinger in einem „Beitrag zur Geschichte der mech. Baumwollspinnerei und Weberei Bamberg [1858 – 1908] aus Anlaß der Feier des fünfzigjährigen Bestehens am 12. Juli 1908“, „daß ab 1900 der Einfluß durch Agitatoren auf die Arbeiterschaft in seinem Werk immer größer wurde“.
Gründung des Sozialdemokratischen Vereins in Gaustadt
Dieser gewerkschaftliche Einfluß läßt sich an den Mitgliederzahlen des schon erwähnten Textilarbeiterverbandes DTAV darstellen. Im Gründungsjahr 1897 waren es 64 männliche und 5 weibliche Mitglieder in der Zahlstelle Bamberg. Nach einer über mehrere Jahre dauernden Stagnation wurde im Jahre 1908 mit Peter Trimborn aus Köln [ein Peter Trimborn, zeitweiliger Vorsitzender der SPD-Fraktion im Kölner Stadtrat, starb am 20.1.1941 nach einer Verhaftung durch die Gestapo] die Geschäftsstelle mit einem Gewerkschaftssekretär besetzt. Im Jahre 1910 verwaltete er 234 männliche und 241 weibliche Mitglieder und die Zahl der Organisierten stieg weiter an. Die Errichtung dieser Geschäftsstelle stellte eine sehr kühne Tat dar, wenn man bedenkt, daß in Bamberg die führenden Persönlichkeiten der von Semlinger gegründeten Unternehmerorganisation für die süddeutsche Textilindustrie ihren Sitz hatten.
1909 finden wir in der Sozialdemokratischen Zeitung „Fränkischer Volksfreund“ eine Anzeige über eine öffentliche Volksversammlung mit dem Nürnberger Arbeitersekretär Nikolaus Eichenmüller [*29.12.1877 Nürnberg, †6.10.1935 ebd.]. Diese Veranstaltung fand am 28. November 1909 – einem Sonntag – nachmittags um 15 Uhr im Gasthaus Bayerlein unter dem Thema „Volksverrat und Steuerraub des Zentrums“ statt. Man darf getrost davon ausgehen, daß bei dieser Versammlung, die vom Bamberger Johann Steitz [*7.7.1866 Bamberg, †13.2.1953 ebd.] – zu dieser Zeit Geschäftsführer der Bauarbeitergewerkschaft – einberufen wurde, auch die Gründung eines eigenständigen sozialdemokratischen Vereins Gaustadt angeregt worden ist, zumal Akten im Staatsarchiv Bamberg schon von einer Gründung im Jahre 1909 sprechen und die Gaustadter Partei am 17. Juli 1910 ihr l. Stiftungsfest feierte. Belege für eine Gründung im Jahre 1909 gibt es jedoch nicht. In die Zeit November/Dezember fallen auch Unmutsäußerungen der Gaustadter Weber. Sie fühlten sich unterbezahlt und forderten höhere Löhne. Die Auseinandersetzungen darüber gipfelten am 17. Dezember 1909 in einen Streik, an dem sich rund 1000 Weber beteiligten. Innerhalb eines Tages wurden die Forderungen der Arbeiterschaft erfüllt und am 18. Dezember wurde abends die Arbeit in der Spinnerei Gaustadt wieder aufgenommen.
Am 7. Februar 1910 teilt nun in einem Schreiben an das königliche Bezirksamt Bam- berg II der Gaustadter Georg Ritter [*7.7.1882 Hartlanden, †23.05.1958 Bamberg, besaß zuletzt Gaustadt Blumenstraße 6] mit: „Die Unterzeichneten zeigen hiermit an, daß sie am Sonntag den 30. Januar 1910 in Gaustadt einen politischen Verein gegründet haben. Der Verein führt den Namen ‚Sozialdemokratischer Verein Gaustadt’; über Verfassung und Wirksamkeit gibt das Statut, das wir in 3 Exemplaren bei- legen, Auskunft. In die Vorstandschaft wurden gewählt: I. Vorsitzender: Georg Ritter; II. Kassier: Bartholomäus Schütz [6.1.1876 Gaustadt, Zimmerer]; III. Schriftführer: [Unleserlich, 1919 gab es einen Schriftführer namens Konrad Bär, * 20.8.1877 in Altenkunstadt, Fabrikarbeiter].“[1] Dieses Schreiben wurde vom Bezirksamt II bestätigt und es wurde darauf aufmerksam gemacht, „daß jede Änderung der Satzung sowie jede Änderung in der Zusammensetzung des Vorstandes binnen einer Frist von 2 Wochen nach dem Eintritt der Änderung dahier anzuzeigen ist“.
Neben der Gründung eines politischen Vereins der fortschrittlichen Arbeiterschaft bildeten sich in dieser Zeit noch andere Vereine in Gaustadt, die in der Arbeiterbewegung ihre Wurzeln haben. So gründeten sich 1909 ein Arbeiter-Radfahrer-Bund und 1910 ein Fußballverein 1. FC Gaustadt, der sich 1920 in Arbeiter-Turn- und Sportverein umbenannte.
Leider sind das Wissen und die überlieferten Zeugnisse für die Arbeit in den kommenden Jahren sehr dürftig. Wir wissen nur, daß die Gaustadter Partei am Sonntag, den 17. Juli 1910, auf dem Bayerlein’schen Felsenkeller ihr I. Stiftungsfest feierte. Es war verbunden mit einem Konzert und Gesang, mit turnerischen Vorführungen und weiteren Volksbelustigungen. Als Musikanten hatte man die Kapelle Harmonie aus Bamberg eingeladen. Am Abend war noch eine große Illumination vorgesehen und der Eintritt betrug damals 20 Pfennige. Um die weiteren Veranstaltungen in den nächsten Jahren wissen wir wenig. Aber der Ortsverein Gaustadt muß weiter aktiv für die Sozialdemokratie geworben haben. Aus dem Geschäftsbericht der Sozialdemokratischen Partei Nordbayerns 1909 – 1911 können wir entnehmen, daß bis zum 30.6.1911 ein Mitgliederstand von 27 männlichen Mitgliedern erreicht wurde. In dieser Zeit fanden noch 11 Mitgliederversammlungen und 2 öffentliche Veranstaltungen statt. Der Geschäfts-bericht bis zum 31.3.1913 zeigt einen Anstieg auf 40 Mitglieder, die zu 20 internen Versammlungen gerufen waren. Daneben fanden noch 4 Verwaltungssitzungen und 5 öffentliche Versammlungen statt.
SPD: „Wir wollen keinen Krieg“
Am 25. Juli 1914, als sich die aufkommenden Wetterwolken der Kriegsgefahr immer drohender zusammenballten, erhob der sozialdemokratische Parteivorstand warnend seine Stimme: „Gefahr im Verzuge. Der Weltkrieg droht! Die herrschenden Klassen, die Euch im Frieden knebeln, verachten, ausnutzen, wollen Euch als Kanonenfutter mißbrauchen. Überall muß den Machthabern in den Ohren klingen: Wir wollen keinen Krieg! Es lebe die internationale Völkerverbrüderung!“
Der Erste Weltkrieg brach herein, viele Mitglieder der SPD sind 1914 und später „zur Fahne“ gerufen worden. Der Verfall der mühsam aufgebauten Organisation zeigte sich unaufhaltsam. Die Arbeit der Gaustadter SPD kam zum Erliegen. Parteien waren auch nicht mehr gefragt, nachdem Kaiser Wilhelm den Ausspruch getan hatte: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!“ Die bislang als „vaterlandslose Gesellen“ gescholtenen Sozialdemokraten erfüllten in der Stunde der Gefahr ihre Pflicht.
„Die neue Zeit“ hielt in Gaustadt ihren Einzug mit der Bildung eines Arbeiter- und Bauernrates im Herbst 1918. Nach der Revolution in München am 8. November 1918 erfolgte die Machtübernahme in den Städten und in den Gemeinden durch diese Körperschaften. In Bamberg hatte sich am 15. November 1918 im Saal der „Wilden Rose“ unter dem Vorsitz von Johann Steitz und dem Parteivorsitzenden Konrad Mörsberger [*28.03.1899 in Fürth, 1922 nach Reutlingen verzogen] ein „Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat“ gebildet, der aus 54 Mitgliedern bestand. Der Einfluß der Sozialdemokratie war in diesen Organen maßvoll und die Macht der Räte wurde im Dienste der Ordnung ausgeübt. Richtlinie der Arbeit dieser Räte war, „sie sollen nicht nach dem Muster des bürgerlichen Parlamentarismus Pflanzschulen persönlicher Eitelkeiten, Strebereien und Geschäftemacherei sein …, sie sollen zum schaffenden Dienst an der Gesamtheit erziehen“. Die Leistungen des Gaustadter Arbeiter- und Bauernrates – er rief am 14. Dezember 1918 zu einer Bürgerversammlung auf, um über Fragen der Kanalisation u. a. zu beraten – wurde von den Bürgern auch bei der Landtagswahl am 12. Januar 1919 honoriert. Die Sozialdemokratie erhielt 1358 Stimmen, die Bayerische Volkspartei erreichte 927 Stimmen. Damit trugen sie dazu bei, daß mit Johann Steitz zum ersten Mal ein Sozialdemokrat den Bamberger Stimmkreis im bayerischen Landtag vertreten konnte. Die Ermordung des amtierenden Ministerpräsidenten Kurt Eisner [*14.5.1867 Berlin] am 21. Februar 1919 war der Auftakt zu einer zweiten revolutionären Phase in Bayern. Es kam zum Bürgerkrieg in München. Der neugewählte Ministerpräsident Bayerns, Johannes Hoffmann (SPD) [*3.7.1867 Ilbesheim bei Landau in der Pfalz, †15.12.1930 Berlin], sah sich gezwungen, den Sitz der Regierung von München nach Bamberg zu verlegen.
Am 1. Mai 1919 führten die SPD, die Räte und die Gewerkschaften mit Umzug und Versammlung dem staunenden Bürgertum den Wandel der Machtverhältnisse vor Augen. Die Gaustadter Sozialdemokraten beteiligten sich früh am Demonstra-tionszug in Bamberg und hielten nachmittags in ihrem Traditionslokal „Fischerhof“ ein Konzert mit Referat über die Bedeutung des 1. Mai ab. Der Eintritt betrug pro Person 50 Pfennige. Am 1. Pfingstfeiertag gab die Partei ein Wohltätigkeitskonzert, dessen Reinertrag zu Gunsten der Gaustadter Kriegsgefangenen bestimmt war. Am 15. Juni 1919 standen die Kommunalwahlen an.
Die Kommunalwahl brachte für die Partei den erhofften Erfolg. Die Bürgerliche Partei, unter dem Kennwort „Josef Sterzl“ angetreten, erhielt 435 Stimmen, was 6 Sitze bedeutete. Die Sozialdemokratische Mehrheitspartei konnte 545 Stimmen erringen und zog mit 8 Mandaten in das Gaustadter Rathaus ein. Die ersten Gemeinderäte waren für die Sozialdemokratie: Georg Ritter, Kaspar Reinfelder [*10.7.1886 Gaustadt, †24.10.1964 ebd., Dr. Martinetstr. 16], Jakob Greubel [*10.4.1884 Gaustadt, †24.12.1953 ebd., Dr. Martinetstr. 5], Heinrich Steinmetz [*10.7.1882 Gaustadt, †6.4.1964 ebd., Hauptstraße 66], Georg Loch [*15.12.1878 Gaustadt, †3.5.1957 ebd., Hauptstraße 51], Martin Söllner [*31.3.1881 Fassoldshof, †10.4.1953 Gaustadt, Grüntalstr. 2], Georg Ruder [25.7.1885 Erlau, †2.2.1948 Gaustadt, Michael-Rümmer-Straße 20] und Konrad Bär [Hauptstraße 122c, später Fabrikbau 21]. Dieses Wahlergebnis zeigt aber auch, daß die 1914 wegen der Kriegskredite neben der alten „Mehrheits“-SPD entstandene „Unabhängige Sozialdemokratische Partei“ (USPD) in Gaustadt eine untergeordnete Rolle gespielt haben muß. Bei der Bürgermeisterwahl siegte der von der MSPD unterstützte Kandidat Zimmerermeister Michael Brießmann [*7.10.1871 Gaustadt, †26.8.1933 ebd., Zimmerei in der heutigen Fischergasse 6]; Georg Ritter wurde zum 2. Bürgermeister gewählt.
Der weitere Ausbau der Sozialdemokratie
In den kommenden Jahren versuchte die Parteileitung, den Ausbau der Organisation weiter voranzutreiben. So suchte man Gespräche mit dem Fußballklub Gaustadt, um an die Gründung einer Jugendorganisation heranzugehen. Groß wurden auch die Maifeiern abgehalten. Aus Protokollnotizen wissen wir, daß zu einer Besprechung der Maifeier 1921 folgende Gaustadter Gewerkschaften eingeladen wurden: Textilarbeiter, Metallarbeiter, Bauarbeiter, Zimmerer, Fabrikarbeiter der Ziegelei sowie Gemeinde- und Staatsarbeiter. Man nahm um ½ l0 Uhr früh Aufstellung vor dem Fischerhof mit Musik zum Demonstrationszug nach Bamberg. Am Nachmittag traf man sich wieder zum Gartenkonzert im Fischerhof. Bei schlechter Witterung sollte das Fest in zwei Sälen (Fischerhof und Schweinfurter Hof) abgehalten werden. Um diese Zeit und in den nachfolgenden Jahren beschäftigt die Gaustadter Genossen auch das Problem einer Eingemeindung nach Bamberg. Im Februar 1922 beschließt auch der Stadtrat von Bamberg die Eingemeindung dieser Vorortgemeinde und vermerkt dazu, daß sowohl der Stadtrat als auch die Gemeindevertreter Gaustadts dafür gesprochen hätten. Die Eingemeindung wurde aber nicht vollzogen, sondern lieferte rund 50 Jahre später heftige Auseinandersetzungen zwischen Gaustadt und Bamberg und endete mit der Eingemeindung. An Veranstaltungen ist zu vermelden, daß am 25. November 1921 im Fischerhof Reichstagsabgeordneter Hans Vogel [*16.2.1881 Oberartelshofen a. d. Pegnitz, †6.10.1945 London] zur inneren und äußeren Lage referierte.
Im Jahr 1922 können wir auch etwas über die politischen Parteien in Gaustadt erfahren. Die Gemeindeverwaltung teilt dem Bezirksamt II mit, daß zwei politische Vereine bestehen.
1. Bayerische Volkspartei, Ortsgruppe Gaustadt, gegründet 1918, zählend 150 – 180 Mitglieder, Vorsitzender Georg Hohl [*20.12.1880, Haus-Nr. 107½ (heute Fabrikbau 11); später wohnhaft in der heutigen Heinrich-Semlinger-Straße Nr. 7].
2. Sozialdemokratische Mehrheitspartei, Ortsgruppe Gaustadt, gegründet 1909, zählend 120 – 150 Mitglieder, Vorsitzender Georg Ritter.
Die Wahlen des Jahres 1924 zeigen wieder eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit der Partei. So spricht am 14. April 1923 der Hofer Landtagsabgeordnete Max Blumtritt [*2.12.1877 Burg b. Magdeburg, †7.12.1931 Hof a. d. Saale] über „Die politische Lage und die Abfindung der Wittelsbacher“. Zur Landtagswahl erhielt die Sozialdemokratie 535 Stimmen, die BVP 331 Stimmen, die KPD 161 Stimmen, der Völkische Block 129 Stimmen und der Deutsche Block auch 129 Stimmen.
Trotz dieses Erfolges auch bei der sich anschließenden Reichstagswahl – hier sprach noch die Reichstagsabgeordnete Minna Martha Schilling aus Dresden [*29.5.1877 Freiberg in Sachsen, †1943 Weimar] in Gaustadt – gab es in kommunalpolitischen Fragen Streit innerhalb der SPD-Fraktion. Es ging dabei um Fragen der Kanalisation von Gaustadt und führte am 1. November 1924 zum Rücktritt und Austritt des 1. Vorsitzenden Fritz Düring [17.6.1895, †12.11.1947 Bamberg] „wegen unhaltbarer Zustände innerhalb der Gemeinderatsfraktion“. Trotz einer erfolgreich bestandenen Gemeinderatswahl mit „dem Recht der SPD auf den 2. Bürgermeister“, der wieder Georg Ritter heißen sollte, ging diese Wahl nicht wie von der Partei geplant aus. Der Genosse Andreas Stollberger [*11.4.1876 Gaustadt, †6.3.1960 ebd., heute Flößergasse 9] wurde als 2. Bürgermeister gewählt, was zu tiefen Zerwürfnissen in der Fraktion führte. Es wurde sogar beschlossen, „daß sämtliche Fraktionsmitglieder ihre Wahlzettel vorlegen müssen“, um so trotz der geheimen Wahl den oder die abtrünnigen Gemeinderäte zu finden. Genosse Stollberger zeigte sich überzeugt, „daß der vorgeschlagene Kandidat Ritter kein Bürgermeister mehr wird, und um der Partei überhaupt diesen Posten zu sichern, habe er nach reiflicher Überlegung angenommen.“ Der Konflikt konnte kurzfristig bereinigt werden, im Sinne der Partei wollte man von nun an gemeinsam zum Wohle der Bürger zusammenarbeiten. Trotzdem hinterließen diese Auseinandersetzungen tiefe Wunden und schon 3 Monate später wurde der Antrag auf Ausschluß von Stollberger und eines weiteren Genossen aus der Partei beschlossen [Stollberger ging zur BVP].
Das Jahr 1925 brachte auch den Beschluß des Ortsvereins, daß eine Parteibibliothek in Gaustadt errichtet werden soll. Als Leihgebühr wurden 10 Pfennige für große Bücher und 5 Pfennige für kleine Bücher festgelegt.
Die folgenden Jahre zeigen eine lebhafte Versammlungstätigkeit. Sehr oft sprach der Bamberger Unterbezirkssekretär Josef Dennstädt [*7.7.1891 Gunzenhausen, †31.1.1959 Bamberg] in Gaustadt. Er war auch der verantwortliche Redakteur für die nun seit 1919 in Bamberg erscheinende Parteizeitung, den „Freistaat“. Aus diesem können wir die wichtigsten Versammlungen entnehmen. So sprach Anfang Mai 1921 der frühere Reichskanzler Hermann Müller [1876 – 1931] auf einer Kundgebung im Fischerhof. Die Gemeinderatswahlen am 7. Dezember 1929 brachten für die Gaustadter SPD einen entscheidenden Durchbruch. Der 35jährige Sozialdemokrat Michael Rümmer, von Beruf Wollspinner, wurde zum 1. Bürgermeister der Gemeinde gewählt [*5.7.1894 Gaustadt, †10.10.1942 Gaustadt; 1933 in der heutigen Fischergasse 10, später in der nach ihm benannten Michael-Rümmer-Straße 13]. Damit leitete zum ersten Mal in der Geschichte des SPD Ortsvereins ein Sozialdemokrat die Geschicke Gaustadts. Das gab Rückenwind für die Arbeiterschaft, zumal Michael Rümmer auch 2. Vorsitzender des Textilarbeiterverbandes wurde. Die Mitgliederzahl des SPD Ortsvereins stieg im Zeitraum 1929/30 von 92 Mitgliedern auf über 150 Beitragszahler. Trotz wachsender wirtschaftlicher Schwierigkeiten und sozialer Probleme zeigt sich die Arbeiterschaft in Gaustadt optimistisch. Man gründete im Juni 1930 eine eigene Kolonne des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), die sich aus 7 Akteuren zusammensetzte. Als Referenten traten in den folgenden Monaten der Coburger Landtagsabgeordnete Franz Klingler [*14.5.1875 Oettingen in Bayern, †15.7.1933 Coburg] sowie der Reichstagsabgeordnete Fritz Puchta aus Bayreuth [*24.11.1883 Hof, †17.5.1945 München-Schwabing] auf. Der „Freistaat“ schrieb über diese Veranstaltung: „Eine machtvolle Kundgebung für die sozialistische Weltanschauung. Gaustadt bleibt nach wie vor Hochburg des Sozialismus!“
Aufstieg der Nationalsozialisten – Erste Zusammenstöße
Der Verfall der bürgerlichen Regierungen im Reich schritt weiter voran. Die letzte Regierung mit SPD-Beteiligung unter Hermann Müller scheitert. Mit ihr endet die erste parlamentarische Demokratie. Gewinner des Zerfalls der bürgerlichen Parteien sind die „Nationalsozialisten“. Ihre Vorstellungen von „Volksgemeinschaft“, „nationaler Größe“ und „starkem Staat“ machen sie attraktiv für alle die, die in politischen und gesellschaftlichen Konflikten nicht die Folge, sondern die Ursache der sozialen und wirtschaftlichen Probleme sehen. So berichtete der Bamberger Altstadtrat Jakob Kreiner [*30.1.1900 Bamberg, †17.8.1983 ebd.], daß Nazis gemeinsam mit „Stahlhelm“ und dem Bund „Oberland“ in Bamberg einen „deutschen Tag“ feierten. Anschließend fielen sie an diesem ersten Sonntag im Oktober 1923 in Gaustadt ein und hausten dort wie die Wilden. Die Arbeiterhochburg Gaustadt und die Nachbargemeinde Bischberg waren wegen ihrer guten Wahlergebnisse für die linken Parteien ein besonderer Dorn in den Augen der Nationalsozialisten. Am 16. Juli 1932 veranstalteten die „braunen Parteimitglieder“ einen Propagandamarsch nach Gaustadt und Bischberg. Man wollte die Arbeitnehmerschaft mit diesen Auftritten provozieren. Zur Abwehr dieser Übergriffe bildete sich neben dem Reichsbanner „Schwarz-Rot-Gold“ auch in Gaustadt noch die „Eiserne Front“. In ihr hatten sich die demokratischen Kampfverbände der SPD, der Gewerkschaften und der Arbeitersportorganisationen zusammengeschlossen. Die „Eiserne Front“ führte in Gaustadt am 18. Februar und am 4. März 1933 noch zwei Wahlveranstaltungen durch. Doch sie konnten den Zugriff der Nationalsozialisten zur Macht nicht verhindern. Hitler wird im Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt. Am 2. Mai werden die Gewerkschaften verboten, am 22. Juni 1933 wird die SPD verboten. Alle Arbeitervereine werden aufgelöst, ihr Vermögen wird beschlagnahmt. Der Gaustadter Bezirksrat und Gründungs-vorsitzende Georg Ritter wird am 3. Juli 1933 gemeinsam mit Bamberger Genossen – unter ihnen die Stadträte Georg Grosch [*9.12.1906 Bamberg, †27.7.1987 ebd.], Josef Dennstädt [s. o.], Anton Schlauch [*27.9.1895 Bamberg, †12.1.1967 ebd.] und Andreas Bayer [*13.6.1911 Bamberg, †12.11.1987 ebd.] sowie andere Funktionäre – in Schutzhaft genommen, auf einem Viehwagen zum Bamberger Bahnhof gefahren und dann ins Konzentrationslager Dachau überführt.[2]
Das nationalsozialistische Terrorregime unterband mit brutaler Gewalt jegliche Betätigung für die verbotene Sozialdemokratie. Zahllose SPD-Mitglieder büßten mit dem Leben oder schweren körperlichen Schäden für ihr politisches Bekenntnis. An dieser Stelle sei an die Bamberger Sozialdemokraten Willy Aron [*3.6.1907 Bamberg] und Hans Schütz [*5.4.1895 Burgebrach] erinnert, die von den Nazis brutal ermordet wurden [Aron am 19.5.1933 in Dachau erschlagen, Schütz am 23.6.1934 Bamberg vom SA-Mann Ludwig Heintz erstochen]. Auf eine Aktion von Georg Ritter soll hier noch eingegangen werden. Er mauerte das Banner der Gaustadter SPD in die Wand seines Hühnerstalls ein, sodass es von den Nazis nicht gefunden werden konnte.
An dieser Stelle soll mit der Betrachtung über die Zeit bis 1933 abgeschlossen werden. Um den Rahmen dieser Darstellung nicht zu sprengen, wurde es auch vermieden, naher auf Gaustadter Reichs- und Landtagswahlergebnisse einzugehen. Bei den Wahlen in der Weimarer Zeit lagen die Wahlergebnisse bei fast 50 % für die Sozialdemokratie und man kann von einem dominierenden Einfluß der Arbeiterschaft in Gaustadt sprechen.
Entstehen und Wirken der Gaustadter SPD nach 1945
Nach der Kriegsniederlage begann sich das Leben in den politischen Parteien recht langsam zu regen. Bamberg bildete als zentraler Ort der Region den ersten Schwerpunkt, um eine Reorganisation der Arbeiterbewegung einzuleiten. Alle fortschrittlichen Kräfte waren sich einig, daß es zuerst einer starken Arbeitnehmervertretung bedürfe und so gründeten die Vertreter verschiedener politischer Richtungen im Bamberger Schloß Geyerswörth am 26. August 1946 die „Freie Gewerkschaft Bamberg Stadt und Land“. Danach befaßten sich die Sozialdemokraten aus der Region mit der Wiederbegründung der SPD. Unter dem Vorsitz von Georg Kerner [*17.6.1905 Bamberg, †22.3.1966 ebd.] versah Georg Ritter das Amt eines Revisors und half mit an der Aufbauarbeit der SPD in Bamberg. Dabei war diese Arbeit auch nach der offiziellen Genehmigung durch die Besatzungsbehörde an strengste Auflagen gebunden. Es mußten in einem festen Rhythmus die Mitgliederliste sowie ein Organisations- und Kassenbericht der Militärbehörde vorgelegt werden. Nur langsam entwickelte sich die Partei wieder in die Bahnen, in denen sie schon vor ihrem Verbot 1933 tätig war. Aus einem dieser Militärberichte, die leider noch zum Teil in den USA eingelagert sind, wissen wir. daß im Jahre 1947 in Gaustadt wieder ein Ortsverein der SPD bestand. Vorsitzender war Georg Ritter, sein Stellvertreter Anton Krug [*25.10.1895 Gaustadt, †12.4.1966 Bamberg] und als Schriftführer fungierte Hans Feulner [*5.2.1905 Gaustadt, †1.4.1966 ebd.].[3] An dieser Stelle muß auf die Leistung von Anton Krug verwiesen werden, der nach dem Zusammenbruch als kommissarisch eingesetzter Bürgermeister die Geschicke Gaustadts lenkte.[4] Bei den anschließenden Wahlen hatten die Kandidaten von CSU oder der freien Wählergruppen mit Erfolg bestanden. Obwohl zweitstärkste Fraktion im Gemeinderat, blieb die SPD jahrelang von der Stellung eines Bürgermeisters ausgeschlossen. Bei der Kommunalwahl 1966 konnte endlich ein SPD-Kandidat, Andreas Stenglein, das Amt des 1. Bürgermeisters erringen. In einer Stichwahl wurde der bisherige Amtsinhaber von der CSU mit einem Stimmenvorsprung von 75 Stimmen [1544 : 1469] geschlagen.
Aber nicht nur innerhalb der Gemeinde Gaustadt konnte die SPD Erfolge verzeichnen. Bereits bei der Landtagswahl 1958 konnte Andreas Stenglein als Gaustadter Bürger über die oberfränkische Wahlkreisliste in den Landtag einziehen und ebenso 1962, wo er besonders die Interessen der Bamberger Region vertrat. Ein weiterer Gaustadter Vertreter, Herbert Lieff, war in der Wahlperiode 1962 bis 1966 im Bezirkstag von Oberfranken tätig.
In die Amtszeit von 1. Bürgermeister Andreas Stenglein fiel auch ein trauriges Kapitel der Geschichte dieser Industriegemeinde. Obwohl schon in den 1920er Jahren beschlossen, sollte im Jahre 1972 nach dem Willen der Bayer. Staatsregierung durch die Gebietsreform Gaustadt nach Bamberg eingemeindet werden. Alle politischen Richtungen der Gemeinde waren sich einig, daß diese Eingemeindung verhindert werden müsse. In einer Sitzung des Gemeinderats am 28. Juli 1971 forderte man die Selbständigkeit von Gaustadt und unterstrich dies mit einem eindeutigen Beschluß bei einer Gegenstimme. Es wurde auch eine Volksabstimmung durchgeführt, in der sich über 91 Prozent der Bürger gegen die Eingemeindung aussprachen. Bürgermeister Stenglein wehrte sich erbittert. Er ging so weit, daß er über die Ortseingänge Transparente mit der Aufschrift „Gaustadt soll gekillt werden“ spannen ließ, Von den Fahnenmasten wehten Gaustadter Ortsfahnen mit schwarzem Trauerflor versehen. Aber alles blieb ohne Erfolg. Ab 1. Juli 1972 war Gaustadt ein Ortsteil von Bamberg.
Die Nachkriegsgeschichte der Partei in Gaustadt wurde bewußt nur in stark gekürzter Form wiedergegeben. Sie sollte einmal später nachgeholt werden. Eines muß aber noch hinzugefügt werden: Die Gaustadter SPD machte es sich in den Jahren nach 1945 häufig selbst sehr schwer. Oftmals brandeten die Wogen der innerparteilichen Diskussion so hoch, daß die nächsthöheren Parteigremien wieder sehlichtend und beruhigend auf die Gaustadter Genossen einwirken mußten.[5] Nach der Eingemeindung sind die Gaustadter nun ein Ortsverein im SPD-Kreisverband Bamberg-Stadt. Auch bei den Wahlen zum Stadtrat Bamberg konnten sie ihre Vertreter, zuerst Thomas Zwießler, dann Hans Stenglein und ab 1984 Hans Stenglein und Klaus Zachert in das Kommunalparlament entsenden.[6] Welchen Stellenwert die Gaustadter SPD weiterhin genießt, zeigt sich auch in der erstmals in Bamberg-Stadt erfolgten Kandidatur einer Frau zum Bayerischen Landtag. Mit Bettina Teschner setzte der SPD-Ortsverein Gaustadt in seinem Jubeljahr 1985 ein Zeichen für ganz Oberfranken! Oskar Krause, 1986.“
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© Andreas Stenglein, im Oktober 2015.
[1] Nach einem in meinem Besitz befindenden Redeentwurf mit dem Titel 40 Jahre SPD Gaustadt (an dessen Herkunft ich mich nicht erinnern kann) heißt es: 40 Jahre Sozialdemokratische Partei Gaustadt … Langer beschwerlicher Weg 1909 – 1949 … Im Jahre 1909 Brauerei Bayerlein – Magistratsrat Karl Pelikan [erläutert] Ziele der SPD [Biografisches war nicht zu ermitteln; er soll kurz vor Kriegsausbruch gestorben sein] … Erschienenen erkannten den Wert und die Notwendigkeit der SPD an, leisteten der Aufforderung, der Partei beizutreten, freudig Folge …Trotz aller Hindernisse wurde der Ortsverein aus der Taufe gehoben … Vorstand gebildet: Georg Ritter 1. Vorsitzender, Schriftführer Bartel Schütz, Kassier Nikel Loch [*12.12.1878 Gaustadt, †5.6.1961 ebd., nun Seefriedweg 1] sowie als Revisoren die Gen. Lotter und Erber [Biografisches nicht ermittelt] … Nach Jahresfrist nimmt er [1910] bereits an der Bürgermeisterwahl teil … Genosse Bernhard Krug [*14.7.1878 Gaustadt, †12.10.1924 ebd.] in der Spinnerei als Maurer am Montag nach der Wahl fristlos entlassen … 17 Genossen gründeten [1946/47?] wieder den Ortsverein … Bedeutung der Bundestagswahl [die 1. Bundestagswahl war am 14.8.1949]. Nach dem Schreiben vom 7. Februar 1910 an das Bezirksamt Bamberg II scheint es glaubhafter, dass die SPD in Gaustadt am 30. Januar 1910 und nicht 1909 gegründet worden ist.
[2] Das Bamberger Tagblatt schreibt am 1. Juli 1933 unter Inschutzhaftnahme der Funktionäre und Stadträte der SPD: „Auf Anordnung der bayerischen Politischen Polizei wurden gestern [= 30. Juni] vormittag 7 Uhr die Stadträte der SPD Bamberg, Dennstädt, Bayer, Schlauch und Grosch sowie Orthopädiegeschäftsinhaber [Georg] Göttling [*10.3.1896 Bamberg, +9.8.1959 ebd.], der Krankenkassendirektor [Adolf] Firsching [*13.1.1892 Bamberg, +13.12.1978 ebd.] und der Arbeiter Zwiebel [= Arbeitersekretär Alexander Zwiebel, *27.12.1877 Podlesie (Galizien) als Sender Seiden, Kleberstr. 33a/I, 1934 nach USA ausgewandert] verhaftet und ins Landgerichtsgefängnis eingeliefert. Von Gaustadt wurden der frühere Bürgermeister Rümmer und der Bezirksrat Ritter von der SPD verhaftet. Die Aktion wurde allgemein in Bayern durchgeführt.“ In der Auflistung fehlt der Gewerkschaftssekretär Georg Dotterweich [*16.9.1884 Bamberg, +15.4.1949 ebd.]. Firsching, Zwiebel und Rümmer scheinen demnach „nur“ verhaftet, nicht aber nach Dachau deportiert worden zu sein.
[3] Ich bin ab 1. Januar 1955 SPD-Mitglied geworden, und zwar in Bamberg, weil sich die Gaustadter SPD damals weitgehend aus Angehörigen der ERBA zusammensetzte und auf Fremdlinge nicht sonderlich erpicht war. Anfangs 1956 habe ich mich auf Wunsch des Gaustadter SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Georg Ritter nach Gaustadt umgemeldet.
In einer SPD-Konferenz am 7. April 1957 in der Gaststätte „Schillerplatz“ in Bamberg, an der ich auf Wunsch Georg Ritters teilnahm und in der es – was ich vorher nicht wusste – um die Lostrennung der Landkreis-SPD von der Stadt-SPD ging, bin ich ohne mein Zutun zum Ersten Vorstand gewählt worden, war also der erste Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Bamberg-Land. Vgl. SPD: 50 Jahre SPD-Kreisverband Bamberg-Land und Gaustadts trauriges Ende und die Hatz auf den Gaustadter Bürgermeister Andreas Stenglein, 2007 , ab Seite 4. Logischerweise war somit der Kreisverband das Arbeitsgebiet meiner politischen Betätigung und nicht der Gaustadter SPD-Ortsverein.
[4] Anton Krug wurde am 11. Juni 1945 von den Amerikanern eingesetzt. In der ersten Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl nach dem Kriege am 27. Januar 1946 wurde Johann Jäck von der CSU gewählt.
[5] Siehe dazu Gaustadts trauriges Ende und die Hatz auf den Gaustadter Bürgermeister Andreas Stenglein, 2007 ab Seite 11.
[6] Letzter Ortsvorsitzender war ich ab 14. Februar 1970. Nach der Eingemeindung waren es meiner Erinnerung nach: Roman Schmitt, Hans Stenglein (SPD Bamberg trauert um Hans Stenglein), Hannelore Bils-Klinker und Hans Klinker. Seit 2008 ist es Lothar Kandzora mit seiner Stellvertreterin, der Stadträtin Ingeborg Eichhorn, meine Tochter, die sozusagen die Tradition weiterführt. Ansprechpartnerin in allen kommunalen Angelegenheiten ist Stadträtin Ingeborg Eichhorn, Telefon 0951/66645, E-Mail robeich@t-online.de.
Siehe auch: Drei Bamberger Parteien mit ähnlichem Schicksal
Siehe auch: Letzter Gaustadter Gemeinderat vor 1933
Siehe auch: SPD: 50 Jahre SPD-Kreisverband Bamberg-Land
Siehe auch: Ein knappes Jahrhundert Politik