Geschichtliche Entwicklung Gaustadts
Schriftliche Fassung eines am 26. Januar 2006 beim Gaustadter SPD-Ortsverein gehaltenen Vortrages
Unstreitig ist, wie in einem Beitrag von Dr. Hans Jakob (1921-1992) in der Gaustadter Ortschronik von Dr. Konrad Arneth (1891-1983) aus dem Jahre 1972 nachzulesen ist, dass sich anhand archäologischer Funde eine Besiedelung der Gemarkung Gaustadt in der Jungsteinzeit (etwa zwischen 3000 und 2000 v. Ch.) nachweisen lässt und die 1857/58 beim Bau des Erba-Kanals gefundenen „Gaustadter Bildsteine“ (fälschlich „Bamberger Götzen“ genannt) auf jeden Fall eine Siedlung in der Zeit des Thüringer Reiches (circa 400-453 n. Ch.) bezeugen. Unstreitig ist ferner, dass Gaustadt zum 742 gegründeten Bistum Würzburg gehörte und 1007 zum neu geschaffenen Bistum Bamberg kam.1
Strittig war bisher, wann Gaustadt erstmals mit dem als Ursiedlung geltenden sog. Erchanbrechtsgut urkundlich erwähnt wurde: 1136 oder 1015.
Die erste Jahreszahl nehmen Professor Dr. Adam Martinet (1800-1877) und Bibliothekar Joachim Heinrich Jäck (1777-1847) an, die letzte Studienprofessor Dr. Konrad Arneth (s. o.). Sie beziehen sich auf eine Schenkungsurkunde in einem Urkundenabschriftsbuch von Johann Friedrich Schannat (1683-1739) aus der Zeit von 1723/24 mit dem Titel „Vindemiae literariae“ (Gelehrte Weinlesen), die besagt, dass ein Erchanbrecht, Kanoniker2 und Priester vom neuen Kloster, seinen Besitz in der Ortschaft Gaustadt zum Heile seiner Seele auf den Altar des Hl. Michael auf dem Mönchberg (dem Kloster Michelsberg) gestiftet hat.3 Der lateinische Originaltext lautet (leicht bereinigt): „canonicus et presbiter de novo Monasterio praedium suum in villa Guhstat pro animae suae remidio tradidit ad altare S. Michaelis in Monte Monachorum.“
Alle drei übersetzen die Stelle „de novo Monasterio“ – wahrscheinlich, weil Gaustadt einmal zu Würzburg gehört hatte -, dass der Stifter ein Kanoniker am Neumünster in Würzburg gewesen sei.4 Und alle drei irren sich! Es gibt keinen Würzburger Stifter. Der in Rede stehende Erchanbrecht steht nämlich im „Nekrologium“ (Totenverzeichnis) des Klosters Michelsberg unter den Gedenktagen vom 30. April als „Erkenbertus Presbyter s. Jacobi“ mit dem Vermerk „Hic dedit praedium suum“, also als Priester von St. Jakob Bamberg, der sein Gut in Gaustadt dem Kloster Michelsberg vermachte.5 Da das Kollegiatstift St. Jakob 1071 (unter Bischof Hermann6) gegründet und 1072 vorübergehend mit dem Kloster Michelsberg vereinigt wurde, kann die Stiftung nur 1071/72 erfolgt sein. Das heißt, dass Gaustadt erstmals 1071/72 urkundlich erwähnt wird.7 Die bisher genannten Jahreszahlen sind willkürlich und nicht haltbar.
Bei dem in Gaustadt liegenden Teil des Anwesens handelt es sich um den oft fälschlich (jedenfalls nicht ganz korrekt) als Erchanbrechtsgut bezeichneten Bauernhof mit der heutigen Bezeichnung Hauptstraße 32a (Kellereihof), von dem später der sog. Abtshof (Fischergasse 6) abgetrennt wurde. Der andere nicht dem Kloster vermachte Teil des Gehöfts lag in Bischberg im Bereich der heutigen Brauerei „Sonne“ mit der Bezeichnung „Mönchsgütlein“.
Zwischen 1400 und 1500 war Gaustadt ein Ort wie alle anderen in der Umgebung auch. Es hatte etwa 40 Haushaltungen im Bereich der später erbauten sog. Kleinen Kirche.8 1760 wurden 202 Einwohner gezählt, 1805 dann 340. Die Flur erstreckte sich vom Michelsberger Wald bis zur Regnitz, die damals weiter nördlich etwa auf der Höhe des heutigen Staatshafens floss.9 Gegen Bamberg bildete (1769) der Quellablauf vom Brunnen im Fischerhof (heute: Wasserschloss) zur Regnitz etwa auf der Höhe des Brunnens am Edeka-Markt die Grenze.10 Diese wurde irgendwann in Richtung Bamberg verlegt und mit der „Schönen Marter“ markiert, die beim Bau der Friedensbrücke ungefähr 50 Meter nach Westen „wanderte“. Die Höfe gehörten als Lehen in der Mehrzahl dem Kloster Michelsberg und dem Elisabethenspital. Bei der Säkularisation 1802 sind die Lehen in Privatbesitz umgewandelt worden.
Mit der Gründung der Spinnerei 1856/57 und dem Kanaldurchstich wurde die Flur zweigeteilt: in den eigentlichen Ort und die Hege (= Spinnerei-Insel). Die Bevölkerung veränderte ihre soziologische Zusammensetzung infolge der zuwandernden Industriearbeiter, die aus sozusagen aller Herren Länder kamen. 1870 wurden dann 1370 Einwohner gezählt. 1933 war Gaustadt mit 2800 Einwohnern die größte Gemeinde im damaligen aus 142 Gemeinden bestehenden und 57646 Einwohner zählenden Landkreis Bamberg – und die reichste!
Durch weitere Zuzüge, vor allem von rund 700 Flüchtlingen (wovon zunächst viele in der mittlerweile abgerissenen Spinnerei-Turnhalle untergebracht waren), vergrößerte sich Gaustadt bis zu den 60-er Jahren auf etwa 5600 Einwohner. Heute sind es rund 6000.
Um mit der Entwicklung Schritt zu halten, wurden 250 gemeindeeigene Wohnungen errichtet, eine neue Schule sowie ein Schwimmbad gebaut, die ehemalige Kreisberufsschule für die Hauptschule dazugekauft, die Wasserversorgung ausgebaut und die Kanalisation saniert, schlussendlich ein modernes Sportzentrum errichtet.
Um die Wirtschaftskraft weiter zu stärken (und nicht zu sehr auf die strukturell schwächelnde Textilindustrie angewiesen zu sein), wurde die Firma Rudolf Zimmermann GmbH (RZB) auf Gaustadter Gebiet angesiedelt (was von Bamberger Amtsträgern geflissentlich verschwiegen wird), die heute 400 Menschen beschäftigt.
Die Stadt Bamberg kam dabei nicht zu kurz. Um ihre Erweiterungsvorhaben verwirklichen zu können, wurden ihr auf freiwilliger Basis große Gaustadter Flächen im Hafengebiet zur Verfügung gestellt. Anstatt jedoch damit zufrieden zu sein, stellte sie sozusagen aus heiterem Himmel den Antrag auf Eingemeindung der gesamten Gemeinde Gaustadt.
Bei der Eingemeindung nach Bamberg 1972 war Gaustadt eine der lebensfähigsten Gemeinden im Landkreis, wenn nicht die lebensfähigste überhaupt. Sie zu killen, war Unfug. Wenn man ein Oberzentrum mit der Stadt Bamberg als Mittelpunkt und rund 100 000 Einwohnern hätte haben wollen, hätte man eine größere Arrondierung vornehmen müssen. Zu diesem Zweck hätten sowohl Eingemeindungen als auch Zusammenschlüsse auf freiwilliger Grundlage in Betracht kommen können. Vor allem wäre eine kooperative Zusammenarbeit aller Kommunen z. B. auf der Basis von Zweckverbänden anzustreben gewesen. Dazu waren aber die damals Verantwortlichen der Stadt und des Staates nicht fähig gewesen – genauso wenig wie es die heutigen sind.
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1) Bischberg blieb bei Würzburg. Der Rödelbach bildete die Grenze zwischen Bischberg und Gaustadt und somit zwischen Würzburg und Bamberg.
2) Kanoniker = Mitglied eines geistlichen Kapitels, Chorherr.
3) Die Zahl 1136 – mit einem Fragezeichen versehen – steht am Rand der Schenkungsurkunde; sie wurde ganz offenkundig erst in jüngerer Zeit hingeschrieben. 1015 wurde das Bamberger Kloster Michelsberg gegründet.
4) Das zu Ehren Mariens und aller Heiligen vom Würzburger Bischof Adalbero (1045-1063) errichtete Kollegiatstift, das sog. „Neumünster“, wurde zwischen 1058 und 1063 gegründet.
5) Das „Nekrologium“ wurde 2004 in wissenschaftlich aufbereiteter Form von Johannes Nospickel in Hannover herausgegeben. Darin entsprechende Beiträge von Dieter Geuenich, Elmar Hochholzer und Joachim Wollasch.
6) Bischof von 1065-1075. Von Papst Gregor VII. am 20. Juli 1075 wegen Simonie (Kauf und Verkauf geistlicher Ämter) abgesetzt. Gestorben 1084 in Münsterschwarzach.
7) Erkenbertus wird dann 1087 in den „Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg“ von Erich v. Guttenberg bzw. im „General-Personal-Schematismus der Erzdiözese Bamberg“ von Friedrich Wachter als Teilnehmer an der Synode der Bamberger Kirche und als Domherr von Bamberg genannt.
8) Drei Anwesen wurden als Brauereien bezeichnet (worunter man sich sicher keine Brauerein im heutigen Sinne vorstellen darf): Das „Untere Wirtshaus“ oder „Wirtshaus zum goldenen Stern“, das um 1750 eingegangene „Obere Wirtshaus auf dem Knock“ und das „Wirtshaus zum Hirschen“, später „Oberes Wirtshaus“ genannt.
9) Der damalige (mittlerweile eingegangene) zu Gaustadt gehörige „Biegenhof“ lag links der Regnitz, etwa dort, wo sich heute die Firma RZB befindet. Dort stießen sowohl die Fluren von Gaustadt, Bischberg, Oberhaid, Dörfleins und Hallstadt als auch die Regnitz und der Main zusammen. Durch natürliche Veränderungen des Flusslaufes z. B. 1714, wodurch der „„Biegenhof“ auf die andere Flussseite verschoben wurde, und künstliche Eingriffe wie 1809 mit dem Durchstich eines Main-Mäanders, verlagerte sich das Mündungsgebiet schließlich von Gaustadt nach Bischberg.
10) Um 1100 hat Abt Gumbert vom Kloster Michelsberg die in Rede stehende Quelle fassen lassen, „um sie seinen Mitbrüdern, welche über den ehemaligen Mulder-See durch den so genannten Mönchsteig dahin öfters lustwandelten, leichter genießen zu lassen“ (J. H. Jäck auf Seite 8 seines Berichts für den Historischen Verein Bamberg 1844 bis 1845 im Bestand des HVB beim Stadtarchiv Bamberg).
Mit „Mulde“ wird die Flur in der Senke des Ottobrunnens etwa zwischen der Gärtnerei Dechant (Stiefler) und der Scheune Ullrich bezeichnet, wo es noch vor Jahren einen kleinen Weiher gab. Die Bezeichnung Ottobrunnen, nach dem hl. Otto (1060-1139), gibt es erst seit 1839. Vorher könnte der vom Michelsberg unten an St. Getreu vorbei in Richtung Waldwiese und dann in Richtung Gaustadt und damit zum Fischerhof (heute Cherbonhof) führende Weg „Mönchsteig“ geheißen haben.
siehe auch:
Gaustadt – Erstmalige Erwähnung des Ortes, 2006