Gaustadter Friedhof

 Ehrengrab für Dr. Martinet

 

In der Abteilung II befindet sich vor dem Kreuz mit anbetenden Engeln von Maria Lerch aus dem Jahre 1930 das Ehrengrab für Dr. Martinet (Grab Nr. 10B), das, weil sechs Priester darin beerdigt sind, fälschlicherweise als Priestergrab bezeichnet wird.

Der am längsten drinnen ruhende Geistliche ist Prof. Dr. Adam Martinet (+ 11.10.1877), der bei der Gründung der Gaustadter Pfarrei eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Die nächsten, Anton Aschenbrenner (+ 21.5.1955), Joseph Kühnel (+ 28.7.1966), Emil Scholtyssek (+ 22.9.1975) und Gustav Braun (+ 11.5.1976), hatten mit der Pfarrei direkt nichts zu tun.1 Der Letzte des Sextetts ist der am 8.11.2002 beigesetzte Rudolf Schnappauf, der von 1960-85 Gaustadter Pfarrer gewesen ist.2 Schnappaufs Vorgänger Fritz Eberle, Pfarrer von 1950-60, wurde 1970 im Bamberger Friedhof in der Gruft 117, Abt. 5, beerdigt. Dessen Vorgänger, Georg Mann, Pfarrer von 1935-50, ist 1964 im gleichen Friedhof in der Domherrengruft bestattet worden.

Dr. Adam Martinet, die Hauptperson, erblickte am 12. Januar 1800 in Höchstadt a. d. Aisch als Sohn des Schneidermeisters Georg Martinet und dessen Frau Margareta, geb. Hollfelder, das Licht der Welt. Nach der Priesterweihe am 31. Januar 1824 in Bamberg war er Kaplan in St. Martin Bamberg. Am 10. Oktober 1824 wurde er Professor für Logik und Religionslehre in Neuburg a. D., am 18. Juni 1825 Professor der Philosophie in Bamberg. Ab Mitte der 1830-er Jahre hielt er an den Sonntagen in Gaustadt den Gottesdienst. Gestorben ist er am 11. Oktober 1877 in Bamberg; beigesetzt wurde er im Familiengrab Martinet (Grab I/E/116-117).

Durch die testamentarische Stiftung seines Vermögens hat er den Grundstock für die Errichtung der Pfarrei und den Bau der Pfarrkirche gelegt, woran eine Gedenkplatte in der kleinen Kirche erinnert.3 Diese Erinnerungstafel scheint irgendwann dem Historischen Verein Bamberg und/oder der Gaustadter Kirchenverwaltung nicht mehr adäquat gewesen zu sein. Jedenfalls beantragte das Pfarramt am 15. Oktober 1952 bei der Gemeinde Gaustadt die Kostenübernahme für die Überführung der sterblichen Überreste von Dr. Adam Martinet (und seiner Schwester) in ein Ehrengrab auf dem Gaustadter Friedhof, was der Gemeinderat am 17. Oktober 1952 genehmigte.4 Am 30. Oktober 1952 fand die Exhumierung statt, tags darauf die Überführung nach Gaustadt und Aufbahrung in der alten Kirche. Die feierliche Beisetzung der sterblichen Überreste erfolgte an Allerheiligen.5

Fazit: Prof. Martinet sollte posthum besonders geehrt werden und ein Ehrengrab erhalten. Durch anderweitige Belegungen ist die Gedenkstätte mittlerweile zweckentfremdet. Der Ausdruck Priestergrab ist folglich ein falsch gebrauchter Terminus technicus.

 

Ehrengrab nach der Umgestaltung im Juni 2021

 

©Andreas Stenglein, Bamberg – Gaustadt, Juli 2021

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siehe auch:
Gaustadt – Erstmalige Erwähnung des Ortes, 2006
Der Bibliothekar Dr. Michael Stenglein (darin mehrere Hinweise auf Dr. Martinet)
Das missbrauchte Ehrengrab


1) Wer die Beisetzungen veranlasste und die Kosten hierfür übernahm, ist nach den Unterlagen der Friedhofsverwaltung nicht mehr nachvollziehbar.

2) Die Kosten für die Beisetzung wurden von dessen Angehörigen (über ein Bestattungsinstitut) übernommen.

3) Die Inschrift: „Dem Andenken | des großen Wohlthäters | und edlen Stifters der hiesigen Pfarrei | des hochwürdigen Herrn | Dr. Adam Martinet | geistlichen Rathes und | Lycealrectors in Bamberg | geb. 12. Jan. 1800 gest. 11. Oct. 1877 | die dankbare Gemeinde Gaustadt.“

4) Der Beschluss lt. Gemeinderatsprotokoll vom 17.10.1952 (TO-Punkt 12) lautet: „Der Gemeinderat übernimmt einstimmig zum Zeichen des Dankes und der Anerkennung die Kosten für die Überführung, wie die Schaffung eines Ehrengrabes“ (Akten C 51, Nr. 2740 bei StadtAB; vgl. auch „Amtsnachrichten“ der Gemeinde v. 29. Oktober 1952. In der Sitzung vom 19.11.1952 hat sich GR Georg Pfuhlmann von der CSU (TO-Punkt 18) über Bürgermeister Peter Habermanns bei den Feierlichkeiten getane Äußerung – dass der Genehmigungsbeschluss auf Antrag der Linken zurückginge (was stimmt, da der Antrag von GR Ferdinand Köhlein von der SPD gestellt worden ist) – mokiert; bewirkt hat er aber nichts.

5) Informationen und Berichte zu Exhumierung und Beisetzungsfeierlichkeiten finden sich in den „Amtsnachrichten“ der Gemeinde v. 29. Oktober 1952, im „Fränkischen Tag“ v. 30. Oktober 1952 und 3. November 1952 sowie im „Volksblatt“ v. 30. Oktober 1952 und 3. November 1952. Auch im Buch „Gaustadt, ein fränkisches Klosterdorf (1972)“ von Dr. K. Arneth ist das Ereignis erwähnt (Seite 201 ff.). Außerdem wird die Ehrung Dr. Martinets im 92. Bericht des Hist. Vereins (Jahrbuch für 1952/53, Bamberg 1953, S. XVIII) genannt.