Das missbrauchte Ehrengrab
Im Gaustadter Friedhof gibt es – so paradox das klingt – ein Priestergrab, das es eigentlich nicht gibt, dafür kein Ehrengrab für den Gründer der Gaustadter Pfarrei, das real existiert. Wieso? Weil die Grabstätte vor dem Kreuz mit anbetenden Engeln von Maria Lerch aus dem Jahre 1930 fälschlicherweise als Priestergrab bezeichnet wird, obwohl es sich um das Ehrengrab für Dr. Martinet handelt. Ich will die Sache erklären.
Am 15. Oktober 1952 beantragte das Pfarramt bei der Gemeinde die Kostenübernahme für die Überführung der sterblichen Überreste Dr. Adam Martinets aus dem Familiengrab Martinet im Bamberger Friedhof in ein Ehrengrab auf dem Gaustadter Friedhof, was „einschließlich der Schaffung eines Ehrengrabes“ der Gemeinderat am 17. Oktober 1952 einstimmig auf Antrag des Gemeinderats Ferdinand Köhlein von der SPD genehmigte. Anlass scheint gewesen zu sein, dass die Gedenkplatte in der kleinen Kirche, die an den Mann erinnert, der durch die testamentarische Stiftung seines Vermögens den Grundstock für die Errichtung der Pfarrei legte, dem Historischen Verein Bamberg und/oder der Gaustadter Kirchenverwaltung nicht mehr adäquat gewesen ist. Am 30. Oktober 1952 fanden die Exhumierung statt, tags darauf die Überführung nach Gaustadt und Aufbahrung in der alten Kirche. Die feierliche Beisetzung der sterblichen Überreste erfolgte an Allerheiligen.
Im Laufe der Zeit wurden weitere fünf Priester in dieser Grabstelle beerdigt, sodass sich langsam der Name „Priestergrab“ einschlich. Vier davon, Anton Aschenbrenner (+ 21.5.1955), Joseph Kühnel (+ 28.7.1966), Emil Scholtyssek (+ 22.9.1975) und Gustav Braun (+ 11.5.1976) hatten mit der Pfarrei direkt nichts zu tun. Der Letzte ist der am 8.11.2002 beigesetzte Rudolf Schnappauf, der von 1960-85 Gaustadter Pfarrer gewesen ist. (Schnappaufs Vorgänger Fritz Eberle, Pfarrer von 1950-60, wurde 1970 im Bamberger Friedhof beerdigt; dessen Vorgänger, Georg Mann, Pfarrer von 1935-50, 1964 ist ebenfalls im Bamberger Friedhof bestattet.)
Für die erste „Fehlbelegung“ trägt Bürgermeister Peter Habermann die Verantwortung, für die zweite muss ich als damaliger Bürgermeister den Kopf hinhalten; die nachfolgenden hat die Stadt auf dem Gewissen. Der Ausdruck Priestergrab für das durch anderweitige Belegungen zweckentfremdete Ehrengrab ist falsch; er geht auf eine Fehlinterpretation zurück.
Vor geraumer Zeit habe ich das Friedhofsamt gebeten, die verwitterte Grabplatte zu reinigen, was mittlerweile geschehen ist.
In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass die von mir am 9. Juli 2008 dem Oberbürgermeister Andreas Starke zugeleitete Anregung, einen Parkplatz auf dem Megalith-Gelände mit direktem alters- und behindertengerechten Zugang zum Friedhof zu schaffen, im April/Mai d. J. in die Tat umgesetzt wurde. Kurz vor dem Ziel sind ein paar Leute in Gestalt einer einzelnen Dame auf den fahrenden Zug aufgesprungen, um sich in Szene zu setzen. Der Kasus Knacktus war, dass sich das Friedhofsamt bzw. dessen Referent Bürgermeister Werner Hipelius und der Entsorgungsbetrieb bzw. dessen Referent Zistl-Schlingmann nicht einigen konnten, wer für die Kostenübernahme der Zugangstüre zuständig sei und deshalb der Bürgerverein in die Bresche sprang und mit entsprechendem Tamtam die Türe sponserte. Belustigend finde ich die Sache nicht, eher beschämend.
Dem FT habe ich einen Leserbrief mit fast gleichlautendem Inhalt zugeleitet, den er (bisher) noch nicht abgedruckt hat.
Andreas Sebastian Stenglein, im Juni 2010
© Alle Rechte vorbehalten
Jede Verwertung, insbesondere das Herstellen von Kopien sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, ist ohne meine Einwilligung nicht erlaubt.
siehe auch:
Ehrengrab für Dr. Martinet